Numismatische Zeitzeugen der Geschichte

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von Leonie Schulze

4. Oktober 2018 – Münzen sind Zeitzeugen. Oder wie es historisch richtig heißen sollte: Primärquellen. Sie sind unerlässliche Zeugnisse ihrer Zeit, die häufig auf Umstände aufmerksam machen, die in schriftlichen Überlieferungen nicht erwähnt werden. Die „Zeitzeugen-Sammlung“, die sich im Besitz der Deutschen Bundesbank befindet, umfasst stattliche 90.000 Münzen. Diese dokumentieren nicht nur die Geschichte des Bargelds seit seinen Anfängen sondern auch die der Menschen und Ereignisse dahinter. Diese Geschichten erzählt Reinhold Walburg in dem vorliegenden Band in 30 Episoden anhand etwa 100 Stücken der Sammlung der Bundesbank.

Reinhold Walburg, Zeitzeugen. Münzen aus der Sammlung der Deutschen Bundesbank, Hirmer Verlag, München 2018. 276 S., durchgängig farbig illustriert. 24,8 x 28,9 cm. ISBN: 3-7774-3017-1. 39,90 Euro (D), 41,10 Euro (A), 48,70 CHF (CH).

Der Autor hat selbst 33 Jahre lang die Münzsammlung der Deutschen Bundesbank betreut. In der Einleitung wird darauf verwiesen, dass er sich für die Texte dieses Bandes ein Beispiel an Johann David Koehler nahm, der bekanntermaßen über 22 Jahre lang wöchentlich in den sogenannten „Münzbelustigungen“ Münzen und Medaillen vorstellte. Ziel ist es, einen möglichst großen Leserkreis zu erreichen.

In drei Großkapiteln („Personen“, „Länder“ und „Themen“) rekonstruiert Walburg deshalb in lockerem Stil die Hintergründe ausgewählter Münzen. Zeitlich und geographisch deckt er vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis in die Gegenwart alle Kontinente ab – mit gewissen Schwerpunkten versteht sich. Anhand der Münzen ihrer Zeit erfahren wir, wie Caesar, Antonius und Octavian als „die neuen tough cookies“ Pompeius und seinen Söhnen das Leben schwer machten und wie Papst Leo X seinen kostspieligen Lebensstil und den Neubau von St. Peter per „crowdfunding“ in Form des Ablasshandels finanzierte. 

Die Kapitel bauen nicht aufeinander auf und können unabhängig voneinander gelesen werden. Das lädt zum Schmökern, Stöbern und Entdecken ein. Doch sind die Verbindungen der historischen Abhandlungen zu den abgebildeten Münzen nicht immer ganz eindeutig. Ein kurzer Verweis in Klammer auf ein kleines Bild unten links in der Ecke reicht nicht unbedingt aus, um dem Laien, der mit diesem Buch ebenso angesprochen werden soll wie der versierte Experte, verständlich zu machen, warum eben diese Münze ein Zeitzeuge eines bestimmten Umstands ist. Der Spezialsammler wird hier wenig Neues über sein Sammelgebiet erfahren, erhält aber die Möglichkeit mal wieder über den Tellerrand zu schauen und sich die Vielfalt der numismatischen Welt in Erinnerung zu rufen.

Das Buch endet mit einer, wie Walburg es nennt, „Subjektiven Hitliste“. Wie jeder Münzbegeisterte, so hat auch der Autor seine ganz persönlichen Favoriten. Und er präsentiert hier wirklich erstaunlich schöne Stücke, für deren Detailreichtum man sich ein paar Minuten nehmen sollte. Auf den teilweise unglaublich hochauflösenden Bildern lässt sich jeder Grashalm und jede Falte der kleinen Kunstwerke erkennen.

Ein rundum gelungenes und ansprechend geschriebenes Werk also, das durchaus den gewünschten breiten Leserkreis erreichen und begeistern kann. Was am Ende einige vielleicht fernhalten könnte, ist die Größe und das Gewicht des Bandes. Zwar sind beide sicherlich des Inhalts würdig, doch ist es kaum ein Werk, das man für längere Zeit in der Hand halten möchte. Da läuft es Gefahr, zu einem der berühmt-berüchtigten „coffee table books“ zu werden. Doch der Inhalt wäre es wert gelesen zu werden, statt dass das Buch zu einem schicken Wohnzimmeraccessoire wird.

Das Buch kann direkt beim Verlag und im Buchhandel gekauft werden.

Zur Webseite der Deutschen Bundesbank geht es hier.