Die Rechnungsbücher des Matheus Spielmann

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

13. September 2018 – Natürlich, wir wissen es, der Ostseehandel war wichtig. Felle, Wachs und andere Rohstoffe wurden aus dem Osten eingeführt, um gegen Tuch und Luxuswaren aus dem Westen eingetauscht zu werden. Aber wie sah dieser Handel praktisch aus? Was wurde sonst gehandelt? Wo lagen die wichtigsten Zentren? Zu all diesen Fragen geben die beiden Rechnungsbücher des Großkaufmanns Matheus Spielmann Auskunft, die irgendwie ihren Weg in das Archiv der Stadt Reval (heute Talinn, Hauptstadt von Estland) gefunden haben.

Ivar Leimus (Htsg.), Rechnungsbücher des Kaufmanns Matheus Spielmann von 1568-1570. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Tallinn Nr. 15. Tallinn 2017. 164 S. Abbildungen in Schwarz-Weiß. Paperback. 21,2 x 29,8 cm. ISBN: 978-9985-9769-8-2. 15 Euro plus Versandkosten.

Viel wissen wir nicht über jenen Matheus Spielmann, der im Jahre 1571 während der Belagerung von Reval starb. Wir wissen weder woher er kam, noch ob er aus einer bedeutenden Kaufmannsfamilie stammte. Wir wissen nichts über seine Lehrzeit oder über seine Familienverhältnisse. Eines aber wissen wir. Der Mann reiste, und das ständig und über weite Distanzen. In den zwei Jahren, die von den Kaufmannsbüchern abgedeckt werden, befand er sich in Danzig, Königsberg, Reval, Narva, Nowgorod, zurück nach Narva, in Moskau und zuletzt in Reval, wo er wahrscheinlich an der Pest starb. Dies entspricht heute auf modernen Straßen einer Strecke von rund 4.500 Kilometern. Beeindruckend. Und neben all seiner Reisetätigkeit trieb Spielmann in jeder Stadt Handel. Er kaufte und verkaufte. Von wem er zu welchem Preis, das hielt er minutiös in einem niederdeutschen Dialekt in seinen beiden Kaufmannbüchern fest.

Machen Sie sich keine Illusionen. Es handelt sich nicht um leichte Lektüre für einen verregneten Nachmittag. Dieses Buch dokumentiert eine hochrangige Quelle, und Wissenschaftler, die sich für den Ostseehandel interessieren, werden begeistert sein von der Fülle an Informationen, die dieses Buch liefert.

Aber auch wer Münzen aus dem Baltikum sammelt, wird vielleicht gerne einen Blick in die Rechnungsbücher tun, um danach besser zu verstehen, warum dieses Gebiet im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine so boomende Region war, in der man sich Mandeln, Zitronen und Musikinstrumente aus Valencia, die besten Weine aus dem Süden, Hopfen aus Danzig und Zimt aus Lübeck leisten konnte. Man handelte diese Luxuswaren ein gegen Asche, Hanf, Pech, Eisen, Elchfelle und vieles mehr. Und man erfüllte die lukrative Aufgabe des Zwischenhändlers, der die westlichen Häfen mit Russland verband.

So trocken die Lektüre sein mag, ein phantasievoller Kopf wird die nackten Fakten mit den Gerüchen füllen, die in einem Handelskontor zu Beginn der frühen Neuzeit zu riechen gewesen sein mögen. 

Bestellen kann man das Buch über das Tallinner Stadtarchiv. Es kostet 15 Euro + Porto.