Die Münzstätten von Wschowa

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aus dem Polnischen übersetzt von Lech Zielinski

18. Oktober 2018 – Wschowa (deutsch. Fraustadt), eine kleine Kreisstadt mit etwa 14.000 Einwohnern, liegt in der Grenzregion von drei polnischen Woiwodschaften: Lebus, Niederschlesien und Großpolen. Diese Grenzlage der in der Wildnis gestifteten Burg, erwies sich bereits im Mittelalter als vorteilhaft. Gelegen in einem Sumpfgebiet zwischen Oder und Barycz bat Wschowa ermüdeten Händlern, die sich auf den Handelsweg zwischen Pommern und Schlesien begaben, Schutz. Im Laufe der Geschichte ließen sich immer mehr Einwohner in dieser Grenzburg nieder. Sie entwickelte sich zu einer Siedlung und gewann sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung.

Ryszard Piotr Kozlowski. Mennictwo Wschowskie. Polskie Towarzystwo Numizmatyczne, Warschau 2018. 243 S. Hardcover. 24 x 1,5 x 30,5 cm ISBN: 8394511066, 243 S. 90 PLN (ca. 21 Euro).

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts (vor 1273) entschied sich der Herzog von Schlesien bzw. der Herzog von Großpolen, an Stelle der Burg eine Stadt nach dem damals geltenden Magdeburger Recht zu gründen und ihr einsprechende Privilegien zu verleihen. 1334 nahm der polnische König, Kasimir I. die Stadt ein, erhob sie in den Rang einer Königsstadt und verleibte sie dem Königreich Polen ein. Bald wurde sie zur Hauptstadt eines eigenständigen Verwaltungsgebietes, des Fraustädter Landes. In der Stadt siedelten sich deutsche Kolonisten, religiös verfolgte Flüchtlinge sowie Juden, die Handel und Handwerk betrieben, an. Durch den Reichtum ihrer Einwohner beflügelt, erlebte Wschowa vom 15. bis zum 18. Jahrhundert eine Blütezeit und gehörte zu den reichsten und wichtigsten wirtschaftlichen Standorten des Königreichs Polen. In politischer und verwaltungsmäßiger Hinsicht wurde es in Großpolen nur von Posen übertroffen. Das Fraustädter Land gehörte zu den meisturbanisierten Gebieten polenweit. Die Teilungen Polens setzten der Blütezeit in der Entwicklung der Stadt ein Ende und Wschowa begann allmählich zu verfallen.

Der Reichtum der Stadt und ihrer Einwohner resultierte aus den von schlesischen und großpolnischen Herzögen verliehenen Privilegien, die dann von den polnischen Königen aufrechterhalten bzw. noch erweitert wurden. Tuchherstellung, Viehzucht und zahlreiche Windmühlen machten die Stadt polenweit berühmt. Zu ihren Privilegien gehörte darüber hinaus das Recht, Jahresmärkte abzuhalten, Zolllager zu führen sowie Tücher nach Europa und Ruthenien zu exportieren.

Zu den wichtigsten Regalien der Stadt gehörte allerdings das Recht, eine lokale Münze zu prägen. Es ist nicht mehr feststellbar, wann und von wem genau der Stadt das erwähnte Münzprägerecht verliehen wurde. Man kann auf indirektem Wege schlussfolgern, dass dieses Recht um Mitte des 13. Jahrhunderts in der nicht erhalten gebliebenen Stadtgründungsurkunde verankert gewesen sein dürfte. Bislang ist es jedoch auch nicht gelungen, Münzen zu identifizieren, die bestätigen, dass die Stadt bereits im 13. und 14. Jahrhundert Münzen prägte. In den aus dem 15. Jahrhundert stammenden Chroniken von Jan Dlugosz, ist lediglich eine Erwähnung zu finden, der zufolge König Kasimir I. das Recht auf Prägung einer lokalen Münze in Wschowa aufrechterhalten ließ.

Die erste erhalten gebliebene Urkunde, in der das Münzprägerecht der Stadt bestätigt wurde, stammt aus dem Jahr 1404. In dieser von Wladislaw II. Jagiello signierten Urkunde wurden alle Bedingungen aufgelistet, die diese lokale Münze zu erfüllen hat. Hiernach sollte die Münze

  • aus Silber, entsprechend der in Polen geltenden Münzprägeordnung übereinstimmender Qualität, geprägt werden;
  • auf der Vorderseite einen Adler und auf der Rückseite das Jagiellonenkreuz mit zwei Querbalken enthalten;
  • einen genau festgelegten Wert haben (12 Denare sollten einem Groschen gleichen).

Der König sah bei seiner Entscheidung, das Prägerecht der lokalen Münze für Wschowa aufrechtzuerhalten, von der im Königreich Polen geltenden Münzprägeordnung ab, indem er den Wert dieser Münze um 1/3 (von 18 auf 12 Denar für einen Groschen) erhöhte. Dies ist als eine beabsichtigte Maßnahme zu betrachten. Somit erhielt der König den in Schlesien am Anfang des 15. Jahrhunderts gebräuchlichen Umrechnungskurs aufrecht. Darüber hinaus kann angenommen werden, dass in dem alten, verschollenen Münzprägungsprivileg solch ein Wert bestimmt wurde.

Bei den ersten Münzprägungen wurden die Bestimmungen der Urkunde von 1404 eingehalten. Um die in der Stadt geprägten Denare von den früheren königlichen Krakauer Denaren und litauischen Denaren zu unterscheiden, wurde lediglich der erste Buchstabe des Stadtnamens in Form eines W bzw. V auf der Rückseite über dem Wappenschild – französischer Form – mitgeprägt. In den Jahren 1416-1422 wurde die königliche Münze von Krakau nicht mehr hergestellt. Alle Indizien deuten darauf hin, dass die königlichen Münzen in diesem Zeitraum in Wschowa geprägt wurden. Zwar sind keine Urkunden erhalten geblieben, die die obige Hypothese bestätigen würden, doch der dargestellte Sachverhalt kann anhand der Umschrift der erhaltenen Münzen verifiziert werden. Auf den Rückseiten der in Wschowa geprägten Denare erschienen nämlich zusätzliche Buchstaben in Form von M W RE (die letzten zwei als Ligatur), die als M(oneta) W(schowensis) RE(gia), also als Fraustädter Königliche Münze auszulegen sind. Auf der Vorderseite des königlichen ½-Groschen wurden unter der königlichen Krone ein Jagiellonenkreuz mit zwei Querbalken geprägt. Das Kreuz erschien in der Regel in Begleitung des Buchstaben F(rowenstadt) bzw. W(schowa). Letzteres war seltener, aber noch seltener wurde das Kreuz allein auf Münzen geschlagen.

Nach 1422, als der Senat dem König verbat, die Prägung der königlichen Münzen außerhalb von Krakau zu erlauben, härte die Fraustädter Münze auf, den ½-Groschen und königliche Denare zu schlagen. Weiterhin wurden die lokalen Denare geprägt, wobei ihre Vorder- und Rückseite eine leichte Modifizierung erfuhren. Hinzugefügt wurden zwei Ringe. Zwei kleine wurden zwischen die Querbalken des Jagiellonenkreuzes und einer in den Schnabel des Adlers eingearbeitet. Die Umschrift wurde zu M W F (W(schovae) F(actus) M(oneta)erweitert, was so viel wie „geprägt in der Fraustädter Münze“ bedeutet. Die neue ikonografische Form der Münzen blieb in den nächsten zwei Jahrhunderten mehr oder weniger unverändert. Die Gestalt des Adlers wurde lediglich leicht modifiziert, indem dieser den jeweiligen Formen der Siegel der einzelnen Könige angepasst wurde. Auch die Formen der Wappenschilder änderten sich. Im 15. Jahrhundert wurde die Form des spanischen Wappenschilds, später die des deutschen Renaissanceschilds verwendet.

Die polnischen Könige, die in Polen nach Wladyslaw II. Jagiello herrschten, bestätigten Wschowa in den ausgestellten Urkunden ihr Münzprägungsprivileg sowie andere zuvor verliehene Rechte, ohne diese konkret aufzulisten. Die vereinzelt erhaltenen Münzen sind klare Beweise dafür, dass die Stadt während der Jagiellonenherrschaft in Polen die lokalen Denare durchgehend prägte. Unter der Herrschaft Sigismunds I. trat an die Stelle des Buchstaben W ein schneckenähnliches Zeichen auf, das als ältestes von Wschowa gilt. Unter der Herrschaft Sigismunds II. August wurden datierte Denare emittiert, die ersteren im Jahre 1550, die letzten 1561.

In den Jahren 1588-1612 wurde die Prägung der lokalen Denare in Wschowa fortgesetzt, obwohl dieses Gewerbe immer weniger gewinnbringend war. Die Pächter der Münze suchten nach Wegen, die Kosten der Münzprägung herabzusetzen. So wurden 1608-1609 einseitig geschlagene Denare ausgegeben und man fing außerdem an, qualitativ schlechteres Silber zu verwenden. Dieser Prozess führte dazu, dass im Laufe der Zeit Silber durch versilbertes Kupfer ersetzt wurde. Der letzte bekannte Stadtdenar stammt aus dem Jahre 1612. Die Stadtmünze war bis 1619 in Betrieb. Die Stadträte ersuchten den König um Einwilligung in die Emission von Stadtschillingen. Sie erhielten allerdings 1623 eine Absage und die Stadt durfte somit die lokale Münze nicht mehr prägen. Der letzte Münzmeister Georg Scholtz verstarb in Wschowa. Im Fraustädter Lapidarium befindet sich seine Grabplatte, die neben der Inschrift sein Abbild in Form einer Büste sowie ein Münzerwappen aufweist.

Das Schicksal der Stadtdenare teilte im gewissen Sinne auch die alte Münze, in der zuerst eine Weinschenke hergerichtet wurde. Die ganze Anlage wurde später der katholischen Kirche übergeben. Die Jesuiten hatten das hölzerne stark heruntergekommene Gebäude abgebaut und an seiner Stelle eine bis heute erhaltene Schule errichtet.
1588 ließ sich in Wschowa Dietrich Busch nieder, der die königliche Münze von Poznan (deutsch Posen) verwaltete. Er baute am Rande der Stadt ein Haus, in dem er seinem Gewerbe nachging und eine neue Münze herstellte. Er schlug die Stadtdenare, und wie sich später herausstellen sollte, auch 3-Groschenmünzen ohne königliche Einwilligung. Nach seinem Tod führte der Pächter der Münzen in Pozna? und Wschowa, Valtin Jans, diese illegale Aktivität fort. Als dieses Geschäft 1595 ans Tagelicht kam, wurde ihm als Strafe sein Vermögen entzogen.

Im Jahre 1594 erteilte König Sigismund III. Wasa seine Einwilligung, in Wschowa eine königliche Münze erneut in Betrieb zu nehmen. Daraufhin wurden dort Schillinge, Groschen, sowie 3- und 6-Groschenmünzen geprägt. Die königliche Urkunde, die die Verleihung des genannten Privilegs bestätigt, ist nicht erhalten geblieben, aber anhand von anderen Dokumenten kann geschlussfolgert werden, dass dies im erwähnten Jahr geschehen sein muss. Die Geschäfte in der Fraustädter Münze führten in ihren Betriebsjahren 1594-1601 V. Jans, Andreas Laffert, Dawid Grundschloss, Jan Dittmar, Ernest Knorr, Jan Brüssel sowie Jan Wilhelm. Zur Herstellung der Münze verarbeitete man unter den großpolnischen Münzen die größte Silbermenge und stellte die meisten Gesellen (Wschowa 14, Bydgoszcz /deutsch Bromberg/ 13, Pozna? 12) an.

Im Jahre 1649 zog ein Münzmeister aus Rostock, Andreas Tympf, nach Wschowa und setzte sein Gewerbe in der Münzmanufaktur von D. Busch fort. Er prägte königliche Münzen. Auch in diesem Falle fehlen heute Urkunden, die dies bestätigen würden. Analogerweise verfügen wir aber auch hier über Kupferschillinge, silberne Groschen, 2-, 3-, 6-, 18-Groschenmünzen, Taler sowie goldene Dukaten, die die Führung seines Gewerbes in aller Deutlichkeit bezeugen.

Der Krieg gegen Schweden und der damit verbundene Einmarsch der schwedischen Truppen nach Polen unterbrach die groß angelegte Münzprägung in Wschowa. Höchstwahrscheinlich wurde die Münze nach 1658 wieder in Betrieb genommen, aber Urkunden, die dies belegen würden, sind nicht verfügbar. Auch die Münzen aus jener Zeit lassen eine eindeutige Zuordnung zu dieser Münze als ihrer Prägestätte nicht zu. Dem Betrieb der Münze lag diesmal ein persönliches Privileg zugrunde, das Krzysztof Zegocki, der erste Partisan des Königreiches Polen, vom König Johann II. Kasimir verliehen bekam. Unbekannt ist jedoch, wem Zegocki die Geschäftsführung anvertraute. Als die Stadt 1661 einer Kontrolle unterzogen wurde, bekamen Beamte, die die Kontrollfunktion ausübten, keine münzprägungsbezogenen Urkunden vorgelegt. Ihnen wurde lediglich erklärt, sie seien in den Kriegswirren abhanden gekommen. 1663 wurde die Münzprägung in Wschowa für immer eingestellt. Das Gebäude der neuen Münze wurde um Mitte des 19. Jahrhunderts abgebaut. Hierbei wurde eine große Menge von Münzen, vor allem von Schillingmünzen mit dem Emissionsdatum 1663 entdeckt.

Bis jetzt ist es den Forschern nicht gelungen, die ganze Geschichte der Freistädter Münzen in ihrer Vielfalt monographisch zu erfassen. Die 1854 von Tymoteusz Lipinski, 1885 und 1886 von Maksymilian Kirmis sowie 1973 von Stanislaw Gibasiewicz unternommenen Studien enthalten sehr lückenhafte Angaben. Eine umfangreichere Analyse liefert M. Kirmis, der zwar Archivbestände heranzog, jedoch seine Untersuchungen lediglich auf den Zeitraum zwischen 1550-1619 beschränkte. Andere Forscher behandeln die Geschichte der Freistädte Münzen nur am Rande, wobei die Tatsache, dass Wschowa auch Standort der Prägung der lokalen Denare bzw. der königlichen Münzen war, in der Regel gar nicht erwähnt wird.
Der Autor des vorliegenden Buchs hat als erster die Geschichte der Fraustädte Münzen in ihrer ganzen Vielfalt bearbeitet. Unter Berücksichtigung und Einbeziehung vorhandener Urkunden und Erkenntnisse anderer Forscher stellt er seine eigenen Hypothesen und Entdeckungen dar, die mit reichem Bildmaterial untermauert werden, auch wenn sie an manchen Stellen kontrovers erscheinen mögen. Er beschränkt sich nicht nur auf rein numismatische Inhalte, sondern flicht auch die Geschichte der Stadt und ihrer Einwohner mit ein.

Das Buch ist bisher nur auf Polnisch erschienen. Man kann es direkt bei dem Autor bestellen oder über die Polnische Numismatische Gesellschaft.

Der Autor Ryszard Kozlowski wird das Buch auf Vilnius Muenzenmesse am 17. und 18. November 2018 auf dem Stand der Polnischen Numismatischen Gesellschaft persönlich unterschreiben.