Numismatisches Nordspanien – Teil 8

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von Ursula Kampmann

22. November 2012 – Nach einer langen Pause geht es weiter mit unserer kleinen numismatischen Reise durch Spanien. Wir besuchen heute Burgos, wichtige Münzprägestätte der kastilischen Könige. Weiter geht es nach Santo Domingo de la Calzada, berühmt dafür, dass dort gebratene Hühner gelegentlich wieder auferstehen.

Dienstag, 17. April 2012
Es war eiskalt, und die Sonne strahlte, als wir vom Parador in Leon aufbrachen, um eine weitere Etappe des Jakobswegs in die verkehrte Richtung zu fahren. Unser nächstes Ziel war Burgos, wohl eine der berühmtesten Städte Nordspaniens.

Stadtplan des modernen Burgos im Untergeschoß des Touristenbüros. Foto: KW.

Burgos ist auch heute noch eine reiche und aktive Handelsstadt mit einem ausgedehnten Einkaufszentrum. Außerdem ist sie eines der wichtigsten Touristenzentren in Nordspanien; eine Tatsache, die wir zu schätzen wussten. Das Stadtzentrum war ausgezeichnet ausgeschildert, genauso wie die passende Parkgarage; und die Kathedrale war groß genug, um sofort den Weg dorthin zu finden.

Alfonso VIII., 1158-1214. Dinero, Cuenca(?). Aus Künker 137 (2008), 3422.

Burgos wurde im Jahr 884 von Alfons III. gegründet, als eine von vielen Festungen bzw. Kastellen, die dem Land seinen Namen gaben: Kastilien. Sie dienten dem Schutz gegen die Araber und wurden auf den kastilischen Münzen zu einem Symbol des Königreichs.
Doch zunächst war Burgos Teil des Königreichs von Leon, seit etwa 930 Hauptstadt eines Herzogtums Kastilien. Im 11. Jh. erhielt es einen Bischofssitz und wurde Krönungsstadt der kastilischen Könige. Außerdem war die Handelsstadt, von der aus Wolle und Flachs nach England und Flandern exportiert wurden, eine wichtige Station auf dem Jakobsweg.

Sancho IV., 1284-1295. Cornado, Burgos. Aus Künker 137 (2008), 3434.

Im 13. und 14. Jh. war Burgos die Lieblingsresidenz der Könige von Kastilien und Leon. Und es wurde die Stadt, in der die Könige testeten, wie weit sie die Rechte ihrer Untertanen beschränken konnten. In Burgos gab es nämlich ein sehr aktives Bürgertum. Einige Geschlechter hatten enormen Reichtum erworben und wollten bei der Ausgabe ihrer Steuern mitreden. Sancho IV. hebelte ihre Ansprüche aus, indem er in Burgos eine neue Behörde gründete, den „jurado“, der mit dem Einsammeln der Steuer und der Überwachung öffentlicher Projekte betraut war. Natürlich ließen sich das die Bürger nicht gefallen.

Alfons XI., 1312-1350. Noven, Burgos. Aus Künker 137 (2008), 3442.

Es kam zu Aufständen, die 1345 von Alfons XI. dadurch beendet wurden, dass er Burgos der königlichen Kontrolle unterstellte. Diese wurde von einem Rat ausgeübt, dessen 16 Mitglieder der König persönlich einsetzte.

Heinrich IV., 1454-1474. Castellano, Burgos. Aus Künker 117 (2006), 5570.

Auf Verlangen Philipps II. machte Papst Gregor XIII. Burgos zum Erzbistum. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Bedeutung der Stadt eigentlich schon Vergangenheit. Madrid und südlicher gelegene Städte hatten Burgos als Handelszentrum abgelöst. Es spielte nur noch gelegentlich eine Rolle in der Geschichte, so als 1812 die Truppen des englischen Generals Wellington die französische Besatzung der Stadt belagerte, ohne Burgos einnehmen zu können. Oder im Spanischen Bürgerkrieg, als Burgos wichtige Basis für Francos Nationalisten wurde.

Der Arco de Santa Maria mit den Statuen der spanischen Könige. Foto: KW.

Wir betraten die Altstadt durch den Arco de Santa Maria, der 1535 als steingewordene Unterwerfung der „comuneros“ vollendet wurde.
1516 starb Ferdinand II. von Aragon kinderlos. Er hinterließ die Herrschaft dem ältesten Sohn seiner Tochter Johanna (der Wahnsinnigen), Karl I., bei uns besser bekannt als Karl V. Der war nicht nur in Flandern zu Welt gekommen, sondern auch dort erzogen worden. Spanien war für ihn eine fremde Nation, die allenfalls dazu diente, seine Kriege mit Frankreich zu finanzieren. Kein Wunder, dass die Spanier darüber erbittert waren. 1520 begann ihr Aufstand in Toledo. Die comuneros befreiten Johanna, die Mutter Karls, und machten sie zu ihrer Herrscherin. Die zeigte sich allerdings wenig hilfreich und wurde, nachdem es Karl gelungen war, ihrer habhaft zu werden, sofort wieder in einem Kloster eingesperrt.

Karl V., 1506-1555. Real d’oro, Antwerpen. Aus Künker 221 (2012), 8004.

Inzwischen war der Aufstand aus dem Ruder gelaufen. Bauern und die städtischen Unterschichten hatten darin eine willkommene Gelegenheit gesehen, ihr kleines Los ein wenig zu verbessern. Sehr zum Ärger der Adligen, die sich dann doch zum größten Teil lieber mit Karl arrangierten. Am 23. April 1521 erfocht Karl den entscheidenden Sieg. Doch es dauerte noch ein wenig, bis auch die letzten Aufständischen zur Strecke gebracht waren. Zurück blieben im ganzen Land Bauten, in denen die Unterworfenen dem Sieger ihre Reverenz erwiesen, wie eben dieser Arco de Santa Maria.

Kathedrale von Burgos. Foto: KW.

Es sind nur wenige Schritte vom Triumphbogen bis zur Kathedrale. Sie ist die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt, ein prachtvoller gotischer Bau, und bereits seit 1984 Unesco-Weltkulturerbe. Dies macht sich natürlich auch am Eintrittspreis bemerkbar. Touristen zahlen 7 Euro, Pilger mit offiziellem Pilgerausweis 3,50.

Der Altar der unbefleckten Empfängnis in der Empfängniskapelle. Foto: KW.

Leider gibt das Eintrittsticket vielen Besuchern das Gefühl, sie seien nicht in einer Kirche, sondern in einem Museum und dürften sich deshalb auch so benehmen. Wir hatten an diesem Tag mit einer holländischen Reisegruppe zu kämpfen, deren Mitglieder sich lauthals Kommentare zuriefen, die wir nun wirklich nicht hören wollten.

Das Grab von El Cid und seiner Frau Jimena. Foto: KW.

Dabei hätte ich so gerne in meinen Kindheitserinnerungen an den Film „El Cid“ mit Charlton Heston geschwelgt. Der Campeador ist nämlich in der Kathedrale von Burgos begraben, zusammen mit seiner Frau Jimena.
Was war das für ein schönes Bild, als der tote Cid aufs Pferd gebunden in den Sonnenuntergang ritt! Nur schade, dass die Realität wenig mit dem Film zu tun hat: Rodrigo Diaz de Vivar, der Cid, wurde 1043 etwa sieben Kilometer von Burgos entfernt geboren. Nach dem Tod seines Vaters kam er als 15jähriger an den Königshof, um dort aufgezogen zu werden. Nach der Teilung des Reichs 1065 blieb Rodrigo zunächst bei Sancho II., der Kastilien beherrschte, und nach dessen Tod bei dessen Bruder Alfons VI.

Spanien. 200 Euro 2007. Aus Gorny & Mosch / BW Bank 1 (2010), 1432.

Rodrigo war am Hofe Sanchos der erste Ritter gewesen. Nun verdrängte ihn ein anderer aus dieser Rolle. Der Cid war beleidigt, zog auf eigene Faust los, um gegen und mit den Mauren zu kämpfen, und konnte bei einer günstigen Gelegenheit seinen Konkurrenten in ziemlich demütigender Weise gefangen nehmen. Der König war sauer, verbannte Rodrigo, und der suchte sich einen neuen Herrn, den Fürsten al-Mu’tamin von Saragossa. Offiziell in dessen Auftrag versammelte der Ritter eine Räuberbande, deren einträgliche Beutezüge immer mehr Männer unter sein Kommando brachten. 1094 gelang es ihm sogar, während der Wirren, die durch den Einfall der Almoraviden entstanden waren, die vorher moslemische Stadt Valencia unter seine Kontrolle zu bringen.
Es soll ein schreckliches Regiment gewesen sein (so zumindest seine Gegner); der neue Kirchenoberste von Spanien – ein von Bernhard von Clairveaux eingesetzter Hardliner, pries den Campeador dagegen für seine Kompromisslosigkeit.

Statue des Cid in Burgos. Foto: KW.

1099 starb der Cid – wahrscheinlich friedlich im Bett, doch das Epos machte daraus einen Heldentod: Der Sterbende nahm seinen Rittern den Schwur ab, mit seinem Leichnam an der Spitze den Feind anzugreifen. Der Tote wurde auf seinen treuen Hengst gesetzt, das Schwert an der Hand festgebunden, und los ging’s. Natürlich wurde es ein großartiger Sieg!
Tatsächlich musste Witwe und Leichnam 1102 von Alfons VI. in Sicherheit gebracht werden. Dies der Grund, warum der Cid heute in Burgos begraben liegt. Zum Helden machte ihn erst die Literatur, allen voran das Epos El Cantar de Mio Cid, das mit Sicherheit keinen höheren Wahrheitsgehalt hat als der 1961 gedrehte Hollywood-Schinken, der mich so beeindruckte.

Die Capilla del Condestable. Foto: KW.

Wer das Grab des Cid aber für den Höhepunkt der Kathedrale von Burgos halten wollte, der hätte sich schwer getäuscht. In der Capilla del Condestable hat der deutschstämmige Baumeister Simon von Köln ein Meisterwerk der Spätgotik geschaffen.

Ein Blick in die Kuppel der Capilla del Condestable. Foto: KW.

Das bezaubernde Maßwerk wirkt wie Spitzen. Die Feinheit der Bildhauerarbeiten in der Kapelle sind unvergleichlich.

Detail des Portals von San Nicola – Ein Reicher wird von seinem Geldsack beschwert von einem Teufel weggeführt. Foto: KW.

Wir waren weit über zwei Stunden in der Kathedrale von Burgos. Und als wir sie verließen, war bereits alles andere geschlossen. Ein kleiner Spaziergang durch die Stadt zeigte uns viele kleine Details, wie zum Beispiel eine Höllenszene an der Kirche San Nicola, wo ein reicher Mann dargestellt war, dem sein dicker Geldsack um den Hals hin. Aber es war kalt. Und so beschlossen, essen zu gehen. Unser Pech, dass wir uns das gleiche Restaurant ausgesucht hatten wie die holländische Reisegruppe, die geräuschvoll hereinströmte, kaum hatten wir bestellt. Es war nicht unbedingt das ruhigste Essen, das wir in Spanien genossen haben.

Eingang zur Casa del Cordón. Foto: KW.

Danach waren wir genervt. Wir machten noch einen Abstecher zur Casa del Cordón, deren Eingang der Strick ziert, den die Franziskaner normalerweise um die Hüfte tragen.

Philipp der Schöne, 1478-1506. Toison d’argent 1497, Antwerpen. Aus Künker 217 (2012), 2036.

Historisch bedeutsam ist dieses Haus vor allem, weil hier Philipp der Schöne im Jahre 1506 nach einem hitzigen Pelotaspiel starb. Ein Fieber hatte ihn dahingerafft. Er hinterließ eine junge Frau, die nach seinem Tod dem Wahnsinn verfiel. Wobei dahingestellt bleiben sollte, in wie weit ihre tiefe Trauer dem politischen Establishment in soweit entgegenkam, als dass sie keine Konkurrenz zu ihrem Sohn Karl I. darstellte…

Wir fuhren mit der festen Absicht, noch ein paar der berühmten Klöster von Burgos zu besuchen, aus der Parkgarage. Aber hier verließen uns die Wegweiser. Wir waren aus der Stadt, noch ehe wir es gemerkt hatten. Nun ja, auch gut. Eigentlich reichte es sowieso.

Was tun zwei Hähne in einer Kirche? Foto: KW.

Unsere nächste Station war der Parador von Santo Domingo de la Calzada, eigentlich leicht zu finden, möchte man meinen. Dieses Städtchen am Pilgerweg ist nämlich nicht gerade groß. Doch wie sehr man sich täuschen kann! Nachdem wir den Wegweisern gefolgt waren, standen wir vor dem falschen Parador. In Santo Domingo gibt es nämlich zwei Stück davon.

Ein Hühnerkäfig in der Kathedrale. Mit lebenden Hühnern!!! Foto: KW.

Wir fanden den richtigen, waren genervt, und entschieden uns, doch noch die hiesige Kathedrale anzusehen. Und die hatte etwas, was wir wirklich noch nie gesehen hatten: Mitten in der Kirche gab es einen gigantischen Hühnerkäfig.

Der hl. Domingo hält den Gehenkten. Foto: KW.

Grund dafür ist eine Legende, die auch hierzulande sehr bekannt ist. Eine deutsche Familie, Vater, Mutter, Sohn, hatte sich auf Wallfahrt zum hl. Jakobus begeben. Die frommen Leutchen übernachteten in Santo Domingo. Doch in der Herberge warf ein keckes Wirtstöchterlein ein Auge auf den jungen Burschen. Als der von ihren eindeutigen Angeboten nichts wissen wollte, beschloss sie, sich zu rächen. Sie steckte Silbergeschirr in dass Bündel des Jungen und beschuldigte ihn am anderen Morgen, es gestohlen zu haben. Natürlich wurde der Angeklagte schuldig gesprochen. Man hängte ihn. Seine Eltern zogen traurig davon.
Als sie von Santiago zurück kamen, sahen sie am Galgen ihren Sohn hängen, rosig und lebendig. Er begrüßte sie fröhlich und erzählte, er stehe auf den Schultern des hl. Domingo, so dass er genug Luft zum Atmen gehabt hätte. Und die Eltern sollten doch bitte zum obersten Richter gehen, damit der ihn wieder vom Galgen herunterlasse.

Das Hühnerwunder. Foto: KW.

Gesagt, getan. Doch der hohe Herr saß beim Essen und wollte sich schon gleich gar nicht stören lassen. Er hielt die Eltern für Spinner und merkte an, dass ihr Sohn genauso lebendig sein könne wie die gebratenen Hühner auf seinem Teller, worauf die Viecher zu seiner großen Überraschung lebendig vom Bratspieß davonflatterten.
Nachkommen dieser Hühner sollen noch heute in Santo Domingo de la Calzada leben. Allerdings – und dies hier als Trost für alle Tierfreunde – werden sie in regelmäßigen und kurzen Abständen gegen andere Nachkommen der Brathühner ausgetauscht.

Und das war genug für einen Tag. In der nächsten Folge besuchen wir ein paar berühmte Orte am Jakobsweg, die Templerkirche Eunate und Puenta la Reina. Außerdem sehen wir uns die Grabstätten der Könige von Navarra im Felsenkloster von Najera an.

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