Innovationen im Land des Silbers – Ein Kongress in Hall / Tirol

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18. Oktober 2012 – Am 12. Oktober 2012 fand auf der Burg Hasegg ein Symposium statt. Sechs Wissenschaftler aus fünf Ländern waren eingeladen, einen Abschnitt der Haller Innovationsgeschichte zu untersuchen. Die Frage, die über allem stand, galt dem Grund, warum ausgerechnet Hall zu einer Münzstätte wurde, von der aus sich die neuen Ideen über ganz Europa verbreiten konnten.

Andreas Ablinger von der Hall AG und Werner Nuding, Vizebürgermeister und Schöpfer des Nachbaus des Walzprägewerks. Foto: Münze Hall.

Eingeladen hatte die Münze Hall. Hier befindet sich nicht nur ein Museum für die Prägetechnik. In Hall ist auch die Tiroler Numismatische Gesellschaft angesiedelt, deren unermüdlicher Einsatz die Numismatik zu einem wichtigen Thema der lokalen Politik gemacht hat. Oder wie viele Städte kennen Sie, in denen der Bürgermeister gleichzeitig aktives Mitglied des Münzvereins ist?

Ursula Kampmann und Kurt Wyprächtiger, die den ersten Vortrag hielten, im Hintergrund Björn Schöpe, der die Diskussion moderierte. Foto: Münze Hall.

Der Vormittag war dem Walzprägewerk gewidmet. Immerhin ging diese Innovation von Hall aus. Dass Tirol aber keineswegs der Ort war, an dem das Walzprägewerk erfunden wurde, stellten Ursula Kampmann und Kurt Wyprächtiger in einem Vortrag klar.

Henri II (1547-1559). Teston du moulin 1554, Paris. Aus Auktion Künker 217 (2012), 2193.

Augsburg dürfte den Quellen nach die Stadt gewesen sein, in der die ersten funktionierenden Walzprägewerke standen. Und immerhin war es ein Augsburger Handwerker, der dem Gesandten des französischen Königs für 3.000 écu so ein Walzprägewerk verkaufte. In Paris war es dann an der Spitze der Ile de la Cité untergebracht und produzierte schönere Münzen, als die Handwerker der Münzstätte jemals gesehen hatten. Allerdings brauchte man in der „Mühle“, also dem Walzprägewerk, weniger Männer – und die mussten ganz andere Dinge können als ein normaler Münzgeselle. Als also der königliche Hof wegen der Religionskriege nicht mehr so genau auf die Münzprägung achtete, wurde das Walzprägewerk von den Verantwortlichen einfach stillgelegt.

Zürich. Taler 1559 von Jakob Stampfer. Aus Auktion Leu Numismatik AG 85 (2002), 555.

In Zürich war es Jakob Stampfer, der während einer umfassenden Massenprägung der Stadt ein Walzprägewerk installierte. Doch auch dies war eine Sackgasse. Stampfer war ein selbstbewusster Handwerker, der nicht bereit war, sein Wissen unter Wert zu verkaufen. Als ehemalige Mitarbeiter sein Walzprägewerk zum Dumpingpreis an andere Münzherren weitergaben, verlor er die Lust und ging in die Verwaltung. Schade, Stampfer dürfte der begabteste Stempelschneider des 16. Jahrhunderts gewesen sein.

Dr. Romedio Schmitz-Esser hat in Hall eine Menge Fans. Schließlich war er hier einige Jahre Stadthistoriker. Foto: Münze Hall.

An dem Punkt, an dem das Walzprägewerk in Tirol eingerichtet war, begann Dr. Romedio Schmitz-Esser seinen Vortrag. In vorbildlicher Archivarbeit hatte er rekonstruiert, wie dünn die Personaldecke war. Denn um die Walzen für das neue Prägewerk zu schneiden und die technischen Abläufe zu kontrollieren, war eine besondere Ausbildung und viel Erfahrung notwendig. Nicht viele Männer verfügten über diese Kenntnisse. Die sonstige Arbeit konnten relativ schlecht ausgebildete Hilfsarbeiter machen. Nicht gerade die ideale Voraussetzung dafür, dass andere Münzstätten begeistert auf die neue Technik einsteigen sollten.

Ferdinand II. (Graf von Tirol 1564-1595). Reichstaler o. J. (1577/1599), Hall. Aus Auktion Peus 407 (2012), 2789.

Das Walzprägewerk war tatsächlich eine Technik, die von den Fürstenhöfen vorangetrieben wurde, und nicht von den Münzstätten selbst. Ferdinand II., Graf von Tirol, war stolz auf diese Erfindung. Er führte alle ihn besuchenden Diplomaten und Fürsten nach Hall, wo sie die mächtigen Maschinen bei der Arbeit sahen. Wie die Kunstkammer in Ambras diente die Münzstätte in Hall dazu, zu beeindrucken und die Größe des Grafen von Tirol zu feiern.

Rekonstruiertes Walzprägewerk in der Münze Hall. Foto: KW.

Das Walzprägewerk ermöglichte es Ferdinand, mit seinen mächtigeren Habsburger Verwandten in Wien und Madrid auf Augenhöhe zu verhandeln. Und so ließ er sich denn von Philipp II. Zum Beispiel Techniker abschmeicheln, die auch in anderen Habsburger Münzstätten das Walzprägewerk einführen sollten. Ensisheim wurde von Hall aus modernisiert und Segovia.

Dr. Glenn Murray / Segovia – ein unablässiger Kämpfer für ein Münzmuseum in Segovia. Foto: Münze Hall.

Für Segovia gibt es einen Spezialisten: Glenn Murray, ein echter Münzbegeisterter. Wenn die Münzstätte von Segovia heute keine Ruine mehr ist, die jeden Moment einzufallen droht, dann verdankt das die numismatische Welt Glenn Murray.

Felipe II (1556-1598). 8 Reales 1589, Segovia. Aus Auktion Künker 188 (2011), 342.

Er berichtete über den fundamentalen Einfluss, den die Technik aus Hall in Spanien, aber auch in der neuen Welt hatte. Wussten Sie zum Beispiel, dass die auf dem Walzprägewerk hergestellten Münzen die ersten spanischen Geldstücke waren, die regelmäßig eine Jahreszahl trugen?
Anhand von archäologischen Funden und eifriger Recherche in Museen rekonstruierte Glenn Murray, was damals technisch möglich war. Von mehreren Kleinmünzen auf einem Zain nebeneinander bis zu prachtvollen Großsilberprägungen, erst die Walzenprägung machte es möglich.

DDr. Helmut Rizzolli, nicht nur „der“ Kenner des Tiroler Mittelalters, sondern auch ein humorvoller und charmanter Erzähler. Foto: Münze Hall.

Der Nachmittag war nicht mehr der Technik, sondern der bekanntesten Innovation von Hall gewidmet. Immerhin wurde hier die erste Großsilbermünze der Welt produziert. DDr. Helmut Rizzolli führte uns durch die Vorgeschichte dieser Prägung. Er machte darauf aufmerksam, dass Jahrzehntelang die Tiroler Münzen immer ein Zeichen der Garantie, des Wertes getragen hatten.

Sigismund der Münzreiche (1446-1496). Guldiner 1486, Hall. Aus Auktion Künker 201 (2012), 379.

Auf dem halben Guldiner und dem Guldiner dagegen fehlt dieses Zeichen. Stattdessen ist die Darstellung des fürstlichen Porträts in Verbindung mit dem auf der Rückseite erscheinenden Ritter ein Ausdruck der Repräsentation. Wie wäre es, so schlug Herr Rizzolli ketzerisch vor, wenn diese ersten Gulden nicht als Geld für den Markt, sondern – sozusagen zum Ausprobieren – erst einmal als Münze für Verehrungen und diplomatische Geschenke gedacht waren. Ein Zwischending zwischen Münze und Schaupfennig bzw. was wir heute eine Medaille nennen würden.

Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Markus Denzel brachte durch seine lebendige Art des Vortrags die vielen Fakten und Daten nahe. Foto: Münze Hall.

Wie auch immer, eine Großsilbermünze war die Lösung des europäischen Problems. Immer mehr Münzen wurden benötigt, doch das für die bisherigen Fernhandelsgepräge benutzte Gold war nur in kleinen Mengen vorhanden. Silber dagegen gab es im Überfluss. Und so verbreitete sich der Guldiner von Tirol aus in der ganzen Welt.

Südkorea. 500 Won 1970. Aus Auktion Künker 217 (2012), 3363.

Ob deutsche Mark, schweizer Franken, spanische Peseta und bulgarischer Lew, sie alle führen ihre Wurzeln auf die erste Großsilbermünze zurück. Und das gilt auch für Übersee, wie der Wirtschaftshistoriker Prof. Dr. Markus Denzel ausführte. Wir alle wissen ja, dass der Dollar seinen Namen vom Taler hat. Aber den chinesischen Yuan, den koreanischen Won oder den vietnamesischen Dong hätten wir doch eher nicht mit dieser europäischen Innovation in Verbindung gebracht.

Gruppenbild mit Dame. Die Referenten des Kongresses in Hall. Foto: Münze Hall.

Es war ein äußerst einträglicher Kongress, der in der Zusammenschau bisheriger Forschungsergebnisse ganz neue Denkmodelle ermöglicht. Wer nicht kommen konnte, der sei getröstet. Die Kongressakten werden Mitte nächsten Jahres publiziert. Und das auf Deutsch und auf Englisch, denn die Bedeutung der Münze Hall ist eben nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt.

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