Götter unter sich? Augustus und Caligula

PIETAS, so ist die weibliche Gestalt auf der Vorderseite eines der schönsten Sesterzen der römischen Numismatik bezeichnet. Mit bescheiden verschleiertem Haupthaar, in der rechten Hand eine Patera für das Opfer vorbereitet, so sitzt diese Göttin auf ihrem Thron und steht für die persönliche Frömmigkeit des Caligula und die Ehrfurcht, die er als Auftraggeber dieser Emission für das Wesen des Göttlichen empfand.

Mit 100.000 Franken ist dieses phantastische Beispiel für eine beliebte Bronze-Emission des Caligula in der kommenden Auktion von Numismatica Genevensis, die am 27. und 28. November 2012 stattfinden wird, geschätzt. Es handelt sich um das ohne Zweifel schönste bekannte Exemplar dieser Serie.

Moment mal! Caligula – war das nicht jener verrückte Herrscher, der versuchte, sich selbst schon zu Lebzeiten als Gott verehren zu lassen? Da kann doch etwas nicht stimmen! Auf dieser Münze tritt er uns nämlich in der Rolle des frommen Priesters entgegen, der vor dem Tempel des Augustus das Opfer leitet.

Menschen als Götter?
Dass Menschen einen göttlichen Funken in sich tragen, hätte kein Römer bestritten. Er verehrte diesen Funken an seinem Hausalter, bezeichnete ihn dort als Genius. Der Genius (das Wort gens, Geschlecht ist darin versteckt) verkörperte die Kraft einer Familie, sich immer wieder zu erneuern. Beim Genius ihres Herrn schworen die Sklaven. Und Augustus erlaubte es bereits im Jahre 30 v. Chr., dass der Senat ein Dekret erließ, dass der Genius des Augustus durch Trankopfer vor jedem öffentlichen und privaten Festessen geehrt wurde. Außerhalb Roms hatte Augustus sowieso kein Problem, sich göttliche Ehren erweisen zu lassen. Wir wissen von einem städtischen Tempel in Puteoli und einem in Neapolis (Neapel), ganz zu schweigen von den Tempeln, die in Pergamon und Lugdunum (Lyon) zu Ehren von Roma und Augustus errichtet wurden.
Die Person des göttlichen Augustus wurde dagegen erst nach seinem Tode in Rom verehrt. Sein Nachfolger Tiberius hatte dafür seine große Rede vor dem Senat gehalten, sein Testament geöffnet und die Senatoren über nichts anderes diskutieren lassen als über die Ehren, die man dem Verstorbenen gewähren wolle. Darunter war natürlich die feierliche Feuerbestattung auf dem Marsfeld. Und tatsächlich fand sich danach ein ehemaliger Prätor, der eidlich bezeugte, er habe das Bild des Verbrannten zum Himmel aufsteigen sehen. Damit war die Göttlichkeit des Augustus geradezu amtlich bestätigt. Später sollte man sich übrigens eines Adlers bedienen, der im Scheiterhaufen versteckt im richtigen Moment gen Himmel entschwebte. Augustus als Gott war damit jedenfalls etabliert, und Tiberius ließ ihm zwischen Palatin und Kapitol einen Tempel bauen, der allerdings unter seiner Regierungszeit nicht mehr fertig wurde. Erst Caligula konnte ihn im Jahre 37 n. Chr. einweihen.

Das Opfer
Gleich mehrere Jahre hintereinander ließ Caligula aus diesem Anlass prachtvolle Münzen ausgeben, die ihn beim Opfer vor seinem vergöttlichten Ahnherren zeigten. Mit diesem Thema hatte schon der junge Octavian im Bürgerkrieg Propaganda gemacht: Der junge Herrscher als Nachkomme des Vergöttlichten.
Auf der Rückseite sehen wir ein Bild des Augustustempels, der bereits im Jahre 69 n. Chr. bei Unruhen in Flammen aufging. Wir sehen die mit Girlanden feierliche bekränzte Front gestützt von sechs ionischen Säulen; das Tympanon ist mit Figuren geschmückt und darüber sind figürliche Akrotere als Dachbekrönung angebracht.
Davor steht Caligula, das Haupt fromm bedeckt, um seine Ehrfurcht angesichts des Göttlichen zum Ausdruck zu bringen. Von links führt der Victimarius den Stier herbei, der beim brennenden Altar geschlachtet werden wird. Hinter dem Kaiser ist ein kleiner Helfer, der eine Patera in der Hand hält.

Gemme mit Darstellung von Kaiser Caligula mit zwei Füllhörnern und der Göttin Roma. Zweischichtiger Sardonyx; Fassung 17. Jh. Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. IXa59. Foto: KW.

Ein Gott opfert einem Gott?
Wie passt dieser fromme Gottesdienst zum übergeschnappten Caligula? Nun, sagen wir es offen, laut neuesten Forschungen dürfte Caligula bei weitem nicht so verrückt gewesen sein, wie es die Senatoren gerne gesehen hätten. Tatsächlich forderte er in einigen Provinzen, dass sein Bildnis in den großen Tempeln mitverehrt werde. Dies hatte ja schon Augustus gemacht. Dass Caligula dabei auch den jüdischen Tempel von Jerusalem in Erwägung zog, mag eher einem kulturellen Missverständnis zu Grunde liegen, als einem tatsächlichen Bedürfnis, etwas Außergewöhnliches zu tun. Er zog seine Entscheidung ja auch später zurück, als man ihn über die Konsequenzen seines Tuns aufklärte.
Für Rom aber sind es nur zwei Autoren, die über Caligulas Bemühungen zur Vergöttlichung berichten, Cassius Dio und Sueton. Sie berichten lebhaft über Tempel, Kulte und Priester; sie geben viele Details, nur leider bestätigt keine einzige Inschrift das, was sie uns überliefern. Auch die zeitlich viel näher stehenden Autoren Seneca und Philon von Alexandria wissen nichts vom Ehrgeiz des Caligula, schon zu Lebzeiten mit Zeus gleichgesetzt zu werden. Nehmen wir noch dieses numismatische Zeugnis dazu, darf man davon ausgehen, dass auch Caligula zu den Opfern der senatorischen Geschichtsklitterung wurde – zumindest hinsichtlich seines Anspruchs in Rom als Gott verehrt zu werden.

Warum so viel Wut?
Warum ist Caligula in der Geschichtsschreibung so schlecht weggekommen? Die Gründe dafür sind leicht zu verstehen. Geschichte wurde von Senatoren geschrieben, und die waren zu allererst ihrem Stand und dann erst der Wahrheit verpflichtet.
Nun hatte der Senat für die Machtergreifung des Caligula erheblich das Recht gebeugt: Das Testament des Tiberius, in dem Tiberius Gemellus zum Mitregenten eingesetzt wurde, war zu Gunsten Caligulas für ungültig erklärt worden. Und nun sah sich der Senat damit konfrontiert, dass sich die Wahl im Nachhinein als äußerst unglücklich erwies. Caligula hatte Spaß daran, Senatoren zu demütigen! Das waren die ehrwürdigen Väter nicht gewohnt. Das musste erklärt werden. Und wie konnte man es besser erklären als mit einer merkwürdigen Krankheit, die den Geisteszustand des Kaisers zerrüttet hatte. Und ein deutliches Zeichen für einen Wahnsinnigen war in der Antike eben die Selbstüberhebung, ein Gott zu sein. Wenn es dafür keine Beweise gab, dann musste ein guter Erzähler sie eben (er)finden.

Die Vorschau zur Auktion Numismatica Genevensis finden Sie hier.