Die Römer im Saarland

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von Ursula Kampmann

6. September 2012 – Nicht immer ist es notwendig, weit in die Ferne zu schweifen, wenn man etwas über die Römer erfahren will. Hätten Sie gewusst, dass der einzige vollständig rekonstruierte Villenkomplex aus der römischen Kaiserzeit in Deutschland steht, genauer gesagt im Saarland? Begleiten Sie uns auf unserem Rundgang durch ein römisches Heim der Extraklasse.

Gesamtansicht der Villa. Foto: KW.

Direkt an der alten Fernstraße zwischen Metz und Trier lag während der römischen Kaiserzeit eine bedeutende Villa. Dabei handelte es sich natürlich nicht um das, was wir heute unter diesem Begriff verstehen. Eine „Villa“ war ein kleines Wirtschaftsunternehmen, ein landwirtschaftliches Zentrum, in dem Nahrungsmittel für die Städte der Umgebung produziert wurden.
Es ist ein archäologischer Glücksfall, dass dieses Gelände weder in nachrömischer Zeit überbaut, noch landwirtschaftlich genutzt wurde, so dass Johann Schneider, seines Zeichens Volksschullehrer im nahe gelegenen Oberleuken, ein ergiebiges Grabungsgebiet vorfand, das er um die Jahrhundertwende zu erforschen begann. Seit damals weiß man von der archäologischen Fundstelle, doch eine zweite Phase der Auswertung begann erst am 1. April 1987. Das strukturschwache Saarland leistete sich hier ein ABM-Projekt, in dem zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen wurden.
Doch was sollte mit den freigelegten Resten geschehen? Ein Schutzbau war eine Möglichkeit, doch Fundamente von römischen Villen gibt es im Saar-Moselraum fast schon wie Sand am Meer. Um die neue Fundstätte zu einer Attraktion auszubauen, war ein bisschen mehr Anstrengung nötig. Und so entschloss man sich, die Villa selbst zu rekonstruieren. Die modernen Gebäude sind auf den antiken Fundamenten errichtet und geben so einen guten Einblick, wie man sich römisches Landleben im 3. und 4. Jahrhundert vorstellen darf.

Der Eingang zur Villa Urbana, hier vom Haupthaus aus gesehen. Foto: KW.

Freigelegt ist bis jetzt lediglich die Villa Urbana, also der Teil, in dem diejenigen wohnten, die den Bereich bewirtschafteten. Die „Pars rustica“, also die Felder und Weiden mit den vermuteten Speicherbauten, Werkstätten und Stallungen, lag außerhalb und reichte vermutlich bis zur einstigen Straße hinunter.
Damit war der heutige Eingang zum Komplex, die Torhalle, nicht der Gesamteingang zur Villa, sondern lediglich der Übergang vom Wirtschafts- zum Wohnbereich. Sie stand aber genauso schon in der römischen Kaiserzeit da: Ein mächtiges Tor, durch das ein großer Wagen leicht fahren konnte.

Das Herrenhaus. Foto: KW.

Direkt gegenüber, als Zentralbau der Anlage, lag das Herrenhaus. Es diente als Wohnhaus für die Familie, aber auch als repräsentativer Empfangsraum für allfällige Gäste.

Der Empfangsraum. Foto: KW.

Eine hohe, über zwei Stockwerke reichende Halle, ursprünglich mit Mosaikfußboden und zentralem Brunnen geschmückt, sollte Besucher beeindrucken. Die Wände könnten reich mit kostbarem Marmor dekoriert gewesen sein. In der Rekonstruktion hat man das obere Geschoß „nur“ in Stuck ausgestattet, das untere ausgemalt. Die Kassettendecke, die hier verwendet wurde, ist übrigens vor allem durch antike Wandgemälde bezeugt.

Das Fußbodenmosaik des nahegelegenen Nennig. Foto: KW.

Auf eine Wiederherstellung des Mosaiks hat man ganz bewusst verzichtet. Schließlich liegt nur wenige Kilometer entfernt die kleine Stadt Nennig mit ihrem berühmten Mosaik aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Auch dieser prachtvolle Mosaikboden war ursprünglich der Schmuck eines riesigen Empfangssaales einer Villa, die man heute gerne als Gladiatorenschule deuten möchte.

Detail aus dem Fußbodenmosaik von Nennig. Foto: KW.

Wie qualitätvoll wir uns ein solches Mosaik auch in Borg vorstellen dürfen, zeigen Detailaufnahmen aus Nennig. Die eingestreuten Szenen zeigen Darstellungen aus den römischen Spielen: Kämpfe zwischen Tieren, zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und Tier.

Detail aus dem Fußbodenmosaik von Nennig. Foto: KW.

Auch die Wasserorgel und der rundgebogene Cornu mit seinem verstärkenden Querstab in der Mitte gehörten zu den Spielen. Sie untermalten das Geschehen musikalisch.

Das Studio des Hausherrn. Foto: KW.

Aber zurück nach Borg. Gleich neben der Haupthalle befindet sich das rekonstruierte Studio des Hausherrn. Im bequemen Korbstuhl sitzend konnte er lesen, oder sich auf dem härteren Hocker gegenüber niederlassen, um auf dem kleinen Tisch seine Korrespondenz zu erledigen. Das Kohlebecken hinten im Raum machte das raue Klima nördlich der Alpen ein wenig erträglicher.

Eingang in das kleine Bad mit Blick bis zum Kaltwasserbecken. Foto: KW.

Dem gleichen Zweck diente ein luxuriöses Badehaus, das genau wie die großen öffentlichen Bäder in Rom aus verschiedenen Räumen bestand, in denen unterschiedliche Temperaturen herrschten.

Der Raum, in dem die Kleidung abgelegt wurde. Foto: KW.

Im ersten Raum zogen sich die Benutzer des Bades um. Archäologen nennen das ein „Apodyterium“. Die kleinen Holzregale an der Wand, gefertigt nach Vorbildern, wie sie sich zum Beispiel in Herculaneum erhalten haben, dienten dazu, die Kleider abzulegen. Hier stellte man sicher nicht – wie im öffentlichen Bad – seinen Sklaven auf, um die Kleidung zu bewachen. In Rom tat man das besser. Schon damals lauerten überall Diebe. Und das, was man im Bade trug – hohe Holzsandalen und sonst eher wenig, eignete sich nicht, um so den Heimweg antreten zu müssen.

Das Kaltbad oder Frigidarium. Foto: KW.

Der nächste Raum sieht prachtvoll aus, brauchte aber ziemliches Geschick, um benutzt zu werden. Die Stufen, über die man in das große Wasserbecken stieg, waren schmal und wohl glitschig. Dies ist kein Irrtum der Rekonstruktion. Auch sie folgen, genau wie die blaue Bemalung mit dem Meeresgetier, dem archäologischen Befund.

Das heiße Bad oder Caldarium. Foto: KW.

Wesentlich bequemer nimmt sich dagegen das heutige heiße Bad aus: Der Boden bestand schon in der Kaiserzeit aus Marmor. Über ihn schritten die Gäste auf ihren Holzpantinen. Die waren äußerst nützlich, denn dank der Fußbodenheizung fühlten sich die Platten mehr als angenehm warm an. Das heiße Wasser strömte aus dem Löwenmaulspeier in die Wanne, die über breite, bequeme Treppen zu erreichen war. Der Marmorbrunnen im Vordergrund spendete bei all der feuchten Hitze ein wenig Erfrischung mit seinem kalten Wasser.

Der Ruheraum. Foto: KW.

Heißes Wasser macht müde. Und so erholte man sich auf breiten, bequemen Liegen anschließend im Ruheraum.

Rekonstruktion eines Hypokaustums. Foto: KW.

Hier hat man ein Hypokaustum rekonstruiert, wie es so häufig in antiken Bädern anzutreffen ist.

Laubad oder Tepidarium. Foto: KW.

Der letzte Raum ist das Tepidarium, das so genannte Laubad. Hier herrschte eine trockene Luft, die zwischen 38 bis 40 Grad gelegen haben dürfte. Vielleicht erholte sich hier der südländische Hausherr von den Unbilden des nördlichen Wetters und beugte so einer Erkältung vor. Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, wacht heute über der Lektüre des Hausherrn.

Zeugnisse moderner Infrastruktur. Foto: KW.

Allzu genau darf man hinsichtlich Rekonstruktion natürlich nicht hinsehen. Selbstverständlich sind die Räumlichkeiten mit moderner Technik erschlossen. Dazu gehören Steckdosen und helle Beleuchtung.

Die Latrine. Foto: KW.

Und natürlich gibt es auch moderne Toiletten. Der Besucher ist nicht gezwungen, die antike Latrine zu benutzen. Die Wasserspülung erfolgte damals durch einen Kanal, der unter dem Fußboden verlief. Man leitete aufgesammeltes Regenwasser dorthin, das bei schlechtem Wetter von den Dächern der Häuser ablief und in einem Reservoir gesammelt wurde.
Auch in dem kleinen Kanal vor den Sitzen lief ständig das Wasser. Dieser Kanal diente dazu, die Schwämme nach dem Gebrauch zu reinigen, die ein ordentlicher Römer statt Toilettenpapier verwendete.

Der römische Kräutergarten. Foto: KW.

Rund um die Häuser sind einige römische Gartenanlagen wiedererstanden. Da gibt es einen Kräutergarten, in dem Pflanzen gezogen werden, die in der römischen Küche oder in der Medizin Verwendung fanden.

Der Rosengarten. Foto: KW.

Ein Rosengarten mit verstreuten Bänken diente der Entspannung.

Der Küchengarten. Foto: KW.

Und ein Küchengarten zeigt, welches Gemüse und welches Obst bei den Römern auf dem Speiseplan stand.

Ein Blick in die römische Küche. Foto: KW.

Wo man in der Villa gekocht hat, das haben die Archäologen auch herausgefunden. Sie entdeckten, dass im rechten Nebengebäude mindestens drei verschiedene Feuerstellen in einem großen Raum existierten. Fließendes Wasser dürfte es wohl ebenfalls gegeben haben, dafür sprechen zumindest Reste einer hölzernen Wasserleitung und ein Abwasserkanal.
Diese Küche ist mit ihrer gesamten Einrichtung voll funktionsfähig und kann gemietet werden.

Der Vorratsraum. Foto: KW.

Zur Küche gehört auch ein kleiner Vorratsraum.

Ein anderer Winkel des Vorratsraums. Foto: KW.

Dort wurden nicht nur Gewürze und Holz aufbewahrt, sondern auch Wein und Öl – hier säuberlich beschriftet: Vinum Candidum (= Weißwein), Vinum Atrum (= Rotwein) und Mulsum (Süßwein). Dazu jede Menge Oleum (= Öl), Garum – jene schreckliche Fischsauce, und Conditum, ein furchtbar süßer Würzwein.

Das Zimmer des Kochs. Foto: KW.

Wie die einfacheren Bewohner des Hauses gelebt haben könnten, das hat man über der Küche rekonstruiert, wo sich ein Zimmer befindet, in dem einst ein römischer Koch gewohnt haben mag.

Auch römisch Essen kann man in Borg. Foto: KW.

Wer nun Hunger bekommen hat, der kann gleich vor Ort probieren, wie es schmeckt, wenn man sich römische Spezialitäten zu Gemüte führt.

Schinken mit Feigensauce. Foto: KW.

Wie wäre es zum Beispiel mit Schinken in Feigensauce?

Wenn Sie neugierig geworden sind, dann informieren Sie sich doch auf der Homepage der Villa Borg über alles, was dort geboten wird. Bitte klicken Sie hier.

Das Museum in Nennig hat dagegen weder eine deutsche Broschüre noch eine eigene Website, aber immerhin, hier sind die Öffnungszeiten.

Und wenn Sie gerne römisch essen wollen, aber leider nicht so schnell nach Borg kommen, dann gibt es hier Rezepte zum Nachkochen.

Die beste römische Küche, die je ausprobiert habe, gibt es im Domstein zu Trier. Und hier ist der Link.