Cochin-China – Eine fast vergessene Episode französischer Geschichte

Cochin-China lag dort, wo wir heute das südliche Drittel von Vietnam lokalisieren. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts französische Kolonie. Und das kam so:

Karte von Indochina mit Burma und Siam. Quelle: Wikipedia.

Seit Anfang des 17. Jahrhunderts hatten die Jesuiten eine lebendige Mission in Indonesien aufgebaut. Vor allem französische Patres wirkten im heutigen Vietnam. Diese wollten eine engere Wirtschaftsbeziehung zum Mutterland herstellen, so daß erste Petitionen bereits den französischen König Ludwig XIV. erreichten. 1787, in den letzten Jahren vor der französischen Revolution, gelang es Frankreich auf Vermittlung kirchlicher Würdenträger sogar, sich in Thronstreitigkeiten einzumischen. Der Bischof von Adran und Vikar von Cochin-China stellte den Kontakt zu Nguyen Pukh Anh her, der mit französischer Hilfe zum Gründer des Kaiserreichs der Nguyen werden sollte. Natürlich sprangen als Gegenleistung für Frankreich Handelsprivilegien heraus sowie die Erlaubnis, frei zu missionieren.

Grab des Kaisers Minh Mang. Foto von Pierre Dieule / Quelle: Wikipedia.

Den konfuzianischen Traditionalisten war dies ein Dorn im Auge. Schon der Sohn des ersten Kaisers, Minh Mang, war ein vehementer Gegner jeglicher französischer Einmischung. Er erließ am 6. Januar 1833 ein Edikt, das den christlichen Glauben verbot. Er soll jede Kirche niederreißen und die Christen gezwungen haben, zum augenscheinlichen Zeichen ihrer Abkehr vom Glauben auf dem Kreuz herumzutrampeln. In wie weit diese Überlieferung von katholischen Kreisen beeinflußt ist, die in der Heimat um Unterstützung warben, können wir heute kaum noch feststellen.

In den folgenden Jahrzehnten ging es der christlichen Gemeinde im Reich der Nguyen mal besser, mal schlechter. Zwar flochten daheim im sicheren Frankreich die Geistlichen regelmäßig schaurige Geschichten von gräßlichen Martyrien und heldenhaften Märtyrer in ihre Predigten ein, doch war man im Mutterland mit den eigenen Angelegenheiten viel zu beschäftigt, um irgendetwas zu unternehmen. Dies änderte sich erst, als Napoleon III. eine tiefe Vertrauenskrise durchmachte. Er war angetreten, um sein Land zu einer bedeutenden Groß- und Industriemacht zu entwickeln. Der Bevölkerung hatte er versprochen, soziale Reformen durchzusetzen, um so das Leben aller zu verbessern. Letzteres war nicht gelungen. Und so ging Ende der 50er Jahre seine Popularität sprunghaft zurück. Er brauchte einen schnellen, relativ unaufwendigen, aber umso imposanteren Sieg. Und da kam die Christenverfolgung am Ende der Welt äußerst gelegen!

Eroberung von Saigon. Illustration aus dem 19. Jahrhundert. Quelle: Wikipedia.

Napoleon III. schickte eine Flotte und ließ im Jahre 1859 Saigon erobern. 1862 mußte der Kaiser der Nguyen die Stadt zusammen mit Cochin-China abtreten. Es dauerte bis 1867, um das gesamte Cochin-China als sichere Provinz unter französische Oberhoheit zu bringen. Gleichzeitig wurde das benachbarte Kambodscha zum Protektorat gemacht. Frankreich hatte damit einen Fuß in der Tür nach China. China, das hieß Zugang zu der Quelle von Seide, Tee und Luxuswaren. China, das verhieß florierenden Handel und beste Gewinne. Frankreich erhoffte sich blühende Geschäfte durch seine neue Kolonie.

Cochin-China. Probe zum Piaster 1879. PP. Aus Auktion Künker 190 (2011), 4481. Schätzung: 10.000 Euro.

In diese Zeit fällt die Prägung unserer Probe zu einer eigenen Währung für Cochin-China. Wohl im Jahre 1878 wurden vom Haupt-Graveurmeister der Pariser Münzstätte, Albert-Désiré Barre, dessen Prägezeichen, der Anker, auf der Rückseite rechts und links vom Münzstättenzeichen A für Paris zu finden ist, die Stempel für eine Handelsmünze für Cochin-China geschnitten. Die Vorderseite zeigt eine Gestalt, die man nur unschwer als eine nahe Verwandte der Lady Liberty erkennt. Und wir dürfen sicher sein, daß Barre tatsächlich von der amerikanischen Freiheitsstatue für seinen Stempel inspiriert wurde. Schließlich sammelte ganz Frankreich seit 1875 für das Geschenk an die Vereinigten Staaten von Amerika Geld; und bis zum Jahr 1886, als die Statue in Einzelteilen New York erreichte, waren die französischen Zeitschriften voll von Neuigkeiten über das Kunstwerk gewesen. Auch Barre dürfte die Berichte gelesen haben, so daß ihm die Dame mit dem Strahlenkranz als ein prächtiges Sinnbild für die unendlichen Möglichkeiten erschien, die da in Übersee warteten.

Die mit Strahlen- und Lorbeerkranz Gekrönte sitzt nach links, hält in der rechten Hand als Zeichen der Freiheit das römische Faszesbündel, während sie ihren linken Ellbogen auf Ruder und Anker stützt, die den Handel symbolisieren. Links von ihr zeigen Reispflanzen, daß es sich um ein exotisches Ambiente handelt, in dem wir sie finden. Links von ihrem Fuß sehen wir den Namen des Stempelschneiders BARRE. REPUBLIQUE FRANCAISE ist als Ausgabeautorität zu lesen. Die Jahreszahl für die Ausgabe lautet 1879.

Die Rückseite zeigt einen Eichen- und Lorbeerkranz, der mit Reis zusammengebunden ist. Daß es sich um eine Handelsmünze handelt, ist schon in der Umschrift angegeben: PIASTRE DE COMMERCE (= Handelspiaster). Um den Verkehr dieser Münze in Ländern zu erleichtern, in denen man keine französische Währung kannte, sind Gewicht (27,215 g) und Feingehalt (.900) darauf angegeben. COCHINCHINE FRANCAISE weist auf die französische Kolonie hin. Das Wort ESSAI steht dafür, daß es sich um eine Probe handelt, und tatsächlich wurde diese Münze nie für den Umlauf ausgeprägt.

Französisch-Indochina. Piaster 1924 A. Vorzüglich bis Stempelglanz. Aus Auktion Künker 190 (2011), 4484. Schätzung: 400 Euro.

Diese Ehre erfuhr erst eine zweite Probe aus dem Jahr 1885, aber nicht ohne daß die Bezeichnung COCHINCHINE auf der Rückseite für die Umlaufprägungen in INDO-CHINE abgeändert wurde. Nach ihrem Vorbild sollte noch viele Jahre das Geld für die französische Kolonie hergestellt werden. Denn inzwischen hatte sich die Lage in Indochina grundlegend geändert.

Französisch-Indochina. Versilberte Bronzemedaille o. J. (1902/3) von O. Roty auf die Ausstellung des Generalgouvernements von Französisch-Indochina in Hanoi. Aus Auktion Künker Nummer (2011), ex 4483.

Im Sino-Französischen Krieg zwischen China und Frankreich vom April 1884 bis zum April 1885 hatte Frankreich der alten Schutzmacht Indonesiens, China, eine entscheidende Niederlage beigebracht. Nun war es Frankreich gelungen, eine zusammenhängende Kolonialmacht zu etablieren, die aus fünf ungleichen Teilen bestand: der alten Kolonie Cochin-China, deren französische Einwohner im Pariser Parlament mitbestimmen konnten, und den vier Protektoraten Annam, Tongking, Kambodscha und Laos, die mittels französischer Residenten gesteuert wurden.

Französisch-Indochina. Versilberte Bronzemedaille o. J. (1902/3) von A. Patey. auf die Ausstellung des Generalgouvernements von Französisch-Indochina in Hanoi. Aus Auktion Künker 190 (2011), 4483.

Der Handelsverkehr zwischen Kolonie und Mutterland war zollfrei, während für Importe Dritter die französischen Steuertarife galten. Indochina war als französisches Indien geplant, wurde aber nie so ertragreich, wie die Politiker gehofft hatten.

1931 und 1947 wurden jeweils neue französische Münzen für Indochina geprägt. Wobei sich die Franzosen zur Zeit der letzten Prägung bereits mitten in einem der blutigsten Kriege der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg befanden…