Türkischer Frühling – Teil 12

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Ursula Kampmann

18. Juli 2013 – Es war der letzte Abend in Pamukkale. Wir saßen in unserem Hotelzimmer und packten. Das Handy klingelte. Natürlich sind wir erschrocken – doch dafür gab es keinen Grund. Am Telefon war Herr Rasit Özkardes, der freundliche Chef der Toyota Werkstatt in Denizli, der uns persönlich von Denizli nach Pamukkale gefahren hatte. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, weil er und seine Werkstatt nun kein Geschäft mit uns machten. All die Mühe, die er investiert hatte, umsonst. Aber Herr Özkardes wollte nichts anderes als uns mitteilen, dass unser Auto jetzt abgeholt worden sei. Er fragte, ob er uns noch irgendwie helfen könnte. Und wenn wir je wieder einmal nach Denizili kommen würden, dann sei es ihm eine Ehre, wenn wir seine Gäste sein würden.
Und ich schämte mich bei dem Gedanken daran, wie ein Ausländer mit einer Panne bei uns behandelt würde, wenn die Werkstatt, in der sein Auto gelandet wäre, viel Arbeit investiert und nichts daran verdient hätte.

Sonntag, 5. Mai 2013
Wir hatten ein Taxi gebucht, das uns und unsere sieben Sachen nach Izmir brachte. Zum Abschluss hatten wir uns geradezu heimatliche Gefühle gegönnt. Wir übernachteten im Mövenpick Hotel Izmir. Das einzige daran, was sicher nicht von der Schweiz beeinflusst war, waren die Preise, die waren nämlich für ein Fünfstern-Hotel äußerst erschwinglich.

Brautmoden alla Turca. Foto: KW.

Ich war ganz aufgeregt, dass wir nun doch noch nach Izmir kommen würden, denn da gab es ein 2004 neu eröffnetes Museums, das ich zu gerne gesehen hätte, das Izmir History & Art Museum. Das Dumont Reise-Handbuch Türkei – Westtürkei / Zentralanatolien schrieb auf S. 217 darüber: „Als zweites neues Museum wurde 2004 das Izmir History & Art Museum eröffnet, das Geschichte und Kunst der Stadt in den alten italienischen Messepavillons in modernem Rahmen zeigt. Viele Exponate aus dem Archäologischen Museum sind jetzt hier ausgestellt, z. B. der liegende Flussgott Kaystros mit Füllhorn aus Ephesos und die Reliefs der Kentaurenschlacht vom Belevi-Mausoleum. Weitere Prunkstücke sind prachtvolle Sarkophage sowie die Bronzefigur eines laufenden Epheben. Im Nebenpavillon sind antike und mittelalterliche Münzen zu sehen, bis hin zum allerersten Geld der Lyder aus dem 5. Jh. v. Chr.“ – Nun ja, von einem Reiseführer kann man wahrscheinlich nicht verlangen, dass er mal nachgeschlagen hat, wann die ersten Münzen geprägt wurden, aber sonst hörte sich das doch vielversprechend an! Das alte archäologische Museum von Izmir war schon großartig gewesen, und jetzt die größten Schätze vereint in einer modernen Präsentation. Wir machten uns gleich nach unserer Ankunft auf die Suche.
Es war gar nicht so einfach, das Museum zu finden. Wir kamen auf die schlaue Idee, den Schildern der Touristeninformation nachzugehen, um zu erkunden, ob das Museum überhaupt offen sei. Das Museum war offen. Die Touristeninformation war zu. Aber wann hätte das in der Türkei jemanden gehindert, einem freundlich Auskunft zu geben? Wir platzten in ein gemütliches Sonntagstreffen von mindestens 10 Männern. Sofort war einer gefunden, der die Schränke aufschloss, um die Prospekte herauszuholen, ein anderer sprach Deutsch, und schon waren wir auf der richtigen Fährte.
Sie führte uns durch eine lange Straße, in der ein Geschäft mit Brautmoden neben dem anderen lag. Wir kamen an einem Simit-Verkäufer vorbei, der – die Zeiten haben sich geändert – nicht nur die leckeren Sesamkringel anbot, sondern auch jede Menge belegte Brote und Börek. Endlich fanden wir den Park, fragten uns zu den (zugegebenermaßen ziemlich schäbigen) Pavillons durch. Und da waren wir, voll Neugier auf die großartigen Antiken.

Eine besonders gelungene Beschriftung. Foto: KW.

Sagen wir es mal so, wir waren sprachlos. Es gab tolle Objekte, keine Frage, aber in der schmuddeligen Umgebung wirkten selbst die Meisterwerke der Archaik und des Hellenismus wie zweitklassige Fälschungen. Dazu kamen die eigenwilligen Beschriftungen. Wir entdeckten zum Beispiel eine überlebensgroße Stele übersäht mit Buchstaben. Zweifelsohne eine historisch oder kulturgeschichtlich besonders aufregende Quelle. Ein Schildchen versprach Klarheit: Inschrift / Klaros. Na, also.

Klassischer Homer. Foto: KW.

Gleich am Eingang empfing einen die leicht überlebensgroße Statue eines sitzenden Mannes. „Sitzender Mann (Homer)“ lautete die Beschreibung, „Classical Period“ „4th cent. BC“. Also, was denn nun? Klassisch oder aus dem 4. Jahrhundert?

Kopf des Hermes, datiert 30 v. Chr. bis 395 n. Chr. Foto: KW.

Als Datierung besonders beliebt war der Terminus „Roman Period“, was immer das heißen mag. Ein einziges Schild gab auf diese brennende Frage Auskunft. Es erläuterte diesen prachtvollen archaisierenden Kopf. Datiert: Roman Period / 30 BC – 395 AD. Okay.

Statue des Flussgottes Kaistros. Foto: KW.

Natürlich gab es großartige Objekte wie die Statue des Flussgottes Kaistros.

Relief auf dem Boden. Foto: KW.

Was wütend machte, war die Lieblosigkeit, mit der man jede „überflüssige“ Mühe gescheut hatte. Es gab da ein spannendes Relief, auf dem ein Fleischschenkel zerteilt und Geschirr gespült wird. Hat irgendjemand schon einmal eine antike Darstellung dieses so alltäglichen Vorgangs gesehen? Wie ich sage, spannend. Leider musste man sich auf den Bauch legen, um das ca. 40 cm hohe Relief zu würdigen. Es stand auf dem Boden. Es aufzuhängen und zu beschriften war wohl zu viel Arbeit gewesen.

Münzausstellung. Foto: KW.

Richtig schlimm wurde es dann bei den Münzen!

Nein, kein einziges dieser Stücke war ausgestellt. Foto: KW.

Eine Tafel mit prachtvollen Stücken lockte zu den kläglichen Vitrinen. Mir kamen die Bilder äußerst bekannt vor. Kein Wunder, all diese Münzen liegen in den großen Kabinetten der Welt – worauf vor Ort nicht der kleinste Bildhinweis aufmerksam machte. Anscheinend war man der Ansicht, dass der erfahrene Betrachter von selbst darauf kommen würde, dass hier hauptsächlich Stücke aus dem Franke-Hirmer geklaut worden waren. Die Münzen stammen aus Frankfurt (Phanes Stater), München (Elektronstater mit Löwe und Kalb) und London (der Rest), was für den Laien sicher nicht interessant ist (hat halt mit Copyright und Korrektheit zu tun; im Zeitalter des Internets eh überflüssig). Nun ja, vielleicht wollten die türkischen Verantwortlichen so subtil darauf aufmerksam machen, dass alle guten Stücke im Ausland liegen, während man selbst leider nur Drittklassiges ausstellen kann.

Wohin man schaute: Galvanos. Foto: KW.

Was man dann nicht einmal tat. Wenn man die Münzen nämlich etwas von der Seite anschaute, erkannte man, dass es sich um Galvanos handelte, beschrieben wieder in einer höchst eigenen Terminologie. Als westanatolische Münzen hätte wohl kein Fachmann die Hekten aus Mytilene und Phokaia bezeichnet.
Man fragt sich, warum dieses Museum derart lieblos gemacht wurde. Hatte man keine Zeit? Kein Geld? Keine Fachleute? Herrgott, es gibt so phantastische türkische Archäologen und Historiker! Schade, dass sich keiner von denen hier engagiert hat.
Wir jedenfalls zogen wutschnaubend ab. Wir ärgerten uns stellvertretend für all die wirklich großartigen Objekte, denen keinerlei Achtung gezollt wird.

Montag, 6. Mai 2013
Heute standen wir in aller Herrgottsfrühe auf, denn es galt einen Stempel aus meinem Pass zu tilgen, der bei der Einreise in die Türkei hineingekommen war. Darin stand, dass ich bei der Ausreise mein Auto mitführen müsse. Wir sollten also – so der ADAC – beim türkischen Zoll den Wagen exportieren, ihn im Freilager hinterlassen, wo ihn dann der ADAC mit allen notwendigen Papieren in nützlicher Frist abholen und nach Deutschland bringen würde.

Zollamt Izmir. Foto: KW.

Als wir Punkt 8.00 morgens vor dem Zollgebäude ankamen, stand das Abschleppauto der Firma Özen schon mit unserem kleinen Toyota da. Herr Ögret, ausgezeichnet Türkisch sprechend, hatte eine Begleitung mitgebracht, deren Mutter Deutsch sprach. Geplant war, bei Unklarheiten über die Tochter die Deutsch sprechende Mutter zu kontaktieren, um so zu einer Lösung zu kommen. Auch der ADAC hatte sich für Übersetzungsdienste angeboten. Dazu schleppte Herr Özen ein Paket von Papieren mit, in denen jedes türkische Formular genauestens ins Deutsche übersetzt war. Ich kann Ihnen nur eines versichern, man glaubt in normalen Zeiten nicht, wie viel man mit Händen, Füßen und zwei, drei türkischen Brocken (tamam, yavas, evet) abhandeln kann.

Herr Özen im Kampf mit der türkischen Bürokratie. Foto: KW.

Aber nichtsdestotrotz, lassen Sie es mich so ausdrücken: Wir hätten alleine, ohne den ADAC, aber auch nicht die geringste Chance gehabt, jemals unser Auto (und vor allem mich) aus der Türkei heraus zu bekommen. Die Prozedur war für uns undurchschaubar, unberechenbar und äußerst kompliziert. Es gab da ein Großraumbüro mit verschiedenen Arbeitsplätzen. Während einige Beamten sich mit Papieren beschäftigten, ging der Älteste völlig in der Lektüre seiner Zeitung auf. Wenn man ihm ein Papier zuschob, unterbrach er seine Beschäftigung, um einen Stempel aus der Schublade zu holen und auf das Papier zu drücken.

Man sieht es hier nicht, aber diese Dame lackierte allen Ernstes ihre Nägel während der Arbeitszeit. Foto: KW.

Eine sich sehr schön dünkende Dame konversierte mit ihrem Gegenüber, während sie sich voller Muße die Nägel lackierte. Ich hatte das bisher immer für einen Sekretärinnen-Topos aus der schwarzen Serie der amerikanischen Krimis gehalten! Nein, hier war es Realität. Ich konnte nur noch staunen. Am geschäftigsten wirkte eine ältere Frau, die ständig zwischen den Beamten hin und her huschte, um sie mit Tee und Kaffee zu versorgen.
Wie gesagt, gewöhnungsbedürftig. Zweimal übersetzte ein sehr netter Deutscher türkischer Abstammung für uns. Und natürlich erzählte er uns seine Geschichte. Er befinde sich jetzt schon zum fünften oder sechsten Mal hier auf dem Zollamt. Auch er müsse den Stempel aus seinem Pass entfernen lassen. Er habe den Fehler begangen, sein Auto einem Verwandten zu leihen, der prompt damit einen Unfall verursacht habe. Bestraft worden sei nicht der Verwandte, sondern er, weil er ihm nicht das Auto hätte überlassen dürfen. Der Unfall sei schwer gewesen, auch wenn niemand verletzt worden sei. Er habe das Auto verschrotten müssen. Das ganze Spaß hätte ihn bis jetzt mehrere Tausend Euro gekostet. Leider sei es trotzdem praktisch unmöglich, alle notwendigen Papiere zu bekommen, um diesen Stempel aus seinem Pass zu tilgen. Er schwor Stein und Bein, dass ihn niemand mehr aus seiner geliebten, wohl geordneten, deutschen Heimat in dieses Land der Willkür bekommen würde.

Der Motorschaden wird zolltechnisch begutachtet. Foto: KW.

Nach etwa einer Stunde begleitete uns ein Zöllner in elegantem grauen Anzug und blütenweißem Hemd zu unserem Auto, wohl um zu überprüfen, ob wir etwa beabsichtigten, unerlaubte Dinge darin zu schmuggeln. Die Prüfung fiel zu seiner Zufriedenheit aus, so dass wir in kaum einer weiteren Stunde die notwendigen drei Stempel zusammen hatten, um das Auto im Freihafen zu deponieren.

Warten im Freihafen. Foto: KW.

Wir kurvten einige Zeit durch Izmir, bis wir den Eingang in den Freihafen entdeckten. Es war aufregend. Überall türmten sich Container. Riesige Lastwagen wollten immer da vorbei, wo wir gerade standen. In einem abgegrenzten Areal warteten Autos – zum Teil deutlich sichtbar schon seit Jahren. Und mir wurde immer mulmiger. Würde ich mein kleines Auto je wiedersehen? Ich sprach ihm beruhigend zu und erklärte ihm, dass der gute ADAC es hier sicher nicht alleine lassen würde.

Ein Auto bleibt zurück. Foto: KW.

Nach kaum anderthalb Stunden kam jemand, um uns das große Gatter aufzusperren. Er wies uns einen Platz an, wo wir den Wagen lassen sollten, und damit war eigentlich alles überstanden – dachte ich. Aber das war ein Irrtum. Wir mussten noch eine weitere Station absolvieren. Es brauchte einen Notar, der offiziell bestätigte, dass ich den ADAC damit beauftragen würde, mein Auto nach Deutschland zurückzubringen und der ADAC-Vertreter dafür vor dem Zoll berechtigt sei, alle notwendigen Exportformalitäten zu erledigen.
Wir gingen also zu einem Notar. Es war etwa halb zwölf. Wir befanden uns in einem kleinen Büro, das man sich etwa wie eine Wechselstube mit einem hohen Tresen vorstellen muss. Nur dass es einen kleinen Wartebereich mit Sitzplätzen sowie einen mit Glaswänden abgetrennten Bereich für den Notar gab. Es war die Hölle los. An jedem Schalter warteten rund ein Dutzend Menschen. Nachdem wir uns nach vorne durchgekämpft hatten, wurde uns freundlich mitgeteilt, dass der Notar schon beim Mittagessen sei. Ab zwei Uhr könnten wir ihn wieder erreichen.

Der Herr Notar empfängt nicht. Er hat Computerprobleme. Foto: KW.

Also gingen wir ebenfalls zum Mittagessen, kamen um 14.00 wieder. Dann warteten wir noch einmal zwei Stunden. Worauf genau? Keine Ahnung. Der Herr Notar saß inzwischen in seinem Kabäuschen und hatte sichtlich Computerprobleme. Irgendwann kam eine junge Frau und stellte sich als Dolmetscherin vor. Sie müsse mir den Text übersetzen (dessen Übersetzung vom ADAC natürlich vorlag). Sie tat dies, kassierte, und damit waren die Formalitäten erledigt. Wir hatten – oh Wunder über Wunder!!! – allen Anforderungen des türkischen Zolls in nicht einmal einem Tag Genüge geleistet. Sichtlich erleichtert verließ uns unser Beschützer in Richtung Denizli. Und wir riefen den ADAC an, dass alles erledigt sei. Gut, kam es vom anderen Ende der Leitung, dann reservieren wir jetzt Ihren Rückflug. Wir mussten noch nicht einmal etwas dafür zahlen. Wann wir fliegen wollten? Wir hatten nach gestern und heute genug. Am liebsten morgen!!!
Tatsächlich kam eine Viertelstunde später der Bescheid, dass wir Dienstag Mittag von Izmir nach Basel fliegen würden. Und die Kosten für das Übergepäck, so sagte man uns, würde der ADAC auch noch übernehmen.

Der Konak-Platz. Foto: KW.

Plötzlich war unser so langer Urlaub auf nur noch wenige Stunden zusammengeschrumpft. Natürlich wollten wir die nicht im Hotel absitzen. Wir ließen uns mit dem Taxi zum Konak-Platz kutschieren, von wo aus wir uns in den Gassen des Bazars verloren.

Smyrna. Tetradrachme, 2. Jh. v. Chr. Gorny & Mosch 211 (2013), 376.

Smyrna gehört zum ältesten Siedlungsgebiet des Mittelmeerbeckens. Schon Herodot erzählt ausführlich von der Stadt, die bereits vor dem Ionischen Aufstand um 545 zerstört wurde. Deshalb bezieht sich der Lieblingsgründungsmythos der Stadt auf Alexander den Großen, der den Bau des neuen Smyrna um 340 v. Chr. befahl. Schnell wurde die Stadt durch den Handel reich, und zwar so reich, dass ihre Lokalpolitiker mit Ephesos und Pergamon darum konkurrierten, als erste bei den Versammlungen des Koinon von Asia einziehen zu dürfen.

Osmanen. Zolota 1106 (= 1695), geprägt in Izmir. Künker 210 (2012), 953.

Ab dem 11. Jh. wechselten sich die Herren ab: Seldschuken, Byzantiner, Johanniter, Genuesen, dann wieder die Türken, dann wieder die Christen, nicht zu vergessen die Mongolen … Lassen wir das und springen gleich ins Jahr 1426, als die Osmanen die Regierung übernahmen. In Smyrna entwickelte sich eine lebendige Handelsstadt, in der auch zahlreiche jüdische Kaufleute lebten, die sich nach der Vertreibung aus Spanien dort niedergelassen hatten.
Im 17. Jh. begann die große Blüte der Stadt, als die Hohe Pforte hier ausländischen Kaufleuten besonders günstige Bedingungen für ihren Handel gewährte. Um 1700 war die Stadt auf 90.000 Einwohner angewachsen. Im 19. Jh. endete hier die erste türkische Eisenbahn, mit der Baumwolle und andere landwirtschaftliche Produkte aus den fruchtbaren Tälern in die Stadt gebracht wurden. Smyrna war damals eine kosmopolitische Metropole.

Griechische Flüchtlinge trauern um die Opfer der Katastrophe von Smyrna. Quelle: Wikipedia.

974.225 Türken, 629.002 Griechen, 17.247 Armenier und 24.361 Juden lebten neben 58.076 Angehörigen anderer Nationen gemäß der amtlichen osmanischen Statistik von 1910 in Smyrna. Dann kam der 1. Weltkrieg, der den Untergang des Osmanischen Reichs einleitete. Die Katastrophe von Smyrna begann eigentlich mit dem Vertrag von Sèvres, in dem die Siegermächte Griechenland gewaltige Gebietszuwächse zuschanzten. Es erhielt Westthrakien – allerdings ohne Edirne. Thessaloniki, die heute zweitgrößte Stadt Griechenlands, liegt erst seit diesem Zeitpunkt in Griechenland. Dazu kam die potentielle Möglichkeit, in absehbarer Zeit noch zusätzliche Gebiete in Kleinasien zu erwerben. Vorläufig sollten diese aber völkerrechtlich erst einmal in türkischem Besitz bleiben. Die Griechen durften sie nur verwalten. Nach einer Übergangszeit von fünf Jahren war ein Volksentscheid durchzuführen (ähnlich wie im zwischen Deutschland und Frankreich umstrittenen Saarland), der die weitere Zugehörigkeit der Gebiete klären sollte.
Mustafa Kemal, besser bekannt als Atatürk, erkannte diesen Vertrag nicht an. Partisanen kämpften bald gegen die griechischen Truppen. Natürlich litten darunter vor allem die Zivilisten und das auf beiden Seiten. Strafexpeditionen verschärften die während des ersten Weltkriegs gewachsene Feindschaft zwischen den Bevölkerungsgruppen.
Die Auseinandersetzungen steigerten sich zu einem Feldzug des griechischen Heeres gegen die türkischen Streitkräfte, die sich Mustafa Kemal unterstellten. Es kam zu mehreren blutigen Schlachten, die am 30. August 1922 in dem Sieg von Dumlupinar gipfelten, der heute noch in der Türkei als „Tag des Sieges“ gefeiert wird.
Die Griechen kennen das, was folgte, als die „kleinasiatische Katastrophe“. Am 9. September 1922 eroberte das türkische Heer Smyrna. 40.000 Menschen sollen in den ersten Tagen nach dem Sieg umgebracht worden sein. Ein Feuer, das aus ungeklärten Gründen im armenischen Viertel ausgebrochen war, war für einen Teil der Opfer verantwortlich. Jeder Grieche, der jetzt noch nicht tot war, wurde vertrieben oder floh. Dies rächte sich natürlich in den Gebieten, die bis vor kurzem türkisch gewesen waren und jetzt unter griechischer Herrschaft standen. Auch hier wurden Menschen vertrieben, all diejenigen, die sich zum Islam bekannten.
Zehntausende von Menschen – Griechen und Türken – starben auf der Fluch. Im Vertrag von Lausanne versuchten die Siegermächte zu vermitteln, um so einen geordneten Austausch der Bevölkerung durchführen zu können. Als ob es bei so etwas Ordnung hätte geben können! Wie auch immer, der Vertrag beraubte 1,25 Mio. Griechen und 500.000 Türken ihrer Heimat.

Agora von Smyrna. Foto: KW.

Ich gebe zu, es ist einfacher, sich mit der alten Geschichte zu beschäftigen. Da verletzt man weniger Gefühle, schließlich sind die Opfer der großen Massaker – man denke nur an die Ephesische Vesper – lange tot und keine Angehörigen leiden mehr unter den Folgen.
Also wenden wir uns lieber der Antike zu. Durch den Bazar kamen wir zu der hellenistischen Agora von Izmir. Es war schon halb fünf, die Grabung also nur noch wenige Minuten geöffnet. Natürlich schaute ich mir trotzdem alles aufmerksamst an.

Unterirdische Gewölbe. Foto: KW.

Besonders beeindruckend sind die unterirdischen Gewölbe, auf denen einst große Markthallen standen. Ganz allein wanderte ich durch die breiten Gänge.

Ein aufgeräumter Friedhof der Osmanen. Foto: KW.

Fast noch besser gefiel mir ein aufgeräumter osmanischer Friedhof, der eindeutig an den Schweizer Künstler Ursus Wehrli erinnert.
Wenn Sie noch nie etwas von Ursus Wehrli gehört haben, dann klicken Sie unbedingt hier.

Gewürze – Inbegriff von Bazar. Foto: KW.

Ja, und damit war unser Türkei-Urlaub praktisch zu Ende. Wir bummelten noch durch den Bazar, kauften das eine oder andere Mitbringsel (nein, ja nichts Schweres) …

Hier gibt es nicht nur Tee, sondern den besten Kaffee der Türkei. Foto: KW.

… und ließen die Reise und den Tag in einem offenen Innenhof ausklingen, wo Kurt bei Halis Dibek Kahve den besten Kaffee der Welt genoss.

Am Dienstag, dem 7. Mai flogen wir zurück nach Basel. Unser Auto folgte erst Wochen später. Es stand am 3. Juni 2013 wieder in Lörrach – genauer gesagt in der Toyota Werkstatt in Weil, wo die Injektoren eingebaut wurden, die übrigens nicht für die Panne verantwortlich waren. In den nächsten dreieinhalb Wochen wurde der gesamte Motor ausgetauscht. Mich hat das „nur“ 3.000 Euro gekostet. Die restlichen 60 % übernahm Toyota Deutschland und die Toyota Werkstatt, da es bei einem 4 1/2 jährigen Auto mit läppischen 80.000 Kilometern nicht normal ist, dass ein Motor kaputt geht. Immerhin, wir hatten in Denizli die richtige Entscheidung getroffen.
Seit dem 28. Juni sind mein Auto und ich wieder gemeinsam unterwegs! Sie dürfen Sie also auf neue Reiseberichte freuen;-)

Alle Teile der Serie „Türkischer Frühling“ finden Sie hier.