Zwischen Ost und West oder die ersten westlichen Münzen Chinas

In Chinas Jahrtausende alter Geschichte entwickelte sich das Geldwesen völlig anders als in Europa. Die Münzen des Westens – zumindest die Stücke, die nicht als Scheidemünzen Verwendung fanden – waren bis in die jüngste Vergangenheit kleine Barren aus Edelmetall, bei denen der intrinsische Wert in direktem Zusammenhang mit dem Nominalwert stand. Die chinesischen Kupfermünzen und Chinas berühmtes Papiergeld dagegen waren eine Fiat-Währung wie unsere heutigen Zahlungsmittel. Das heißt, ihr Wert beruhte lediglich auf der gemeinsamen Übereinkunft für die Kupfermünzen und staatlicher Garantie für das Papiergeld.

Traditioneller Silberbarren zu 50 Tael, hergestellt in der Provinz Shantung Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus Auktion Künker 198 (30. September 2011), Nr. 9307.

Neben diesen beiden Formen von Zahlungsmitteln wurde zum Horten von Geld vor allem Silberbarren benutzt, deren Herstellung in privaten Händen lag. Der Staat überwachte dabei lediglich die korrekte Beschriftung mit Feingehalt und Gewicht. Das lag in seinem eigenen Interesse, da Silberbarren neben Textilien und Getreide zur Begleichung der Steuern dienten.
Das chinesische Währungssystem der frühen Neuzeit war also unserem eigenen wesentlich ähnlicher als gleichzeitige westliche Prägungen.

Spanisches 8-Reales-Stück aus dem 17. Jahrhundert. Aus Auktion Künker 165 (8. März 2010), 1115.

Als nun die ersten westlichen Münzen nach China kamen, wurden sie wie Rohsilber behandelt. Der lokale Geldwechsler prüfte ihren Feingehalt, versah sie mit einem Gegenstempel und garantierte so Schrot und Korn. Häufig werden sie zu Beginn gleich zu Barren umgeschmolzen worden sein, doch das änderte sich, je mehr Münzen nach China kamen. Statt sie umzuschmelzen, benutzte man sie als kleine Barren im Zahlungsverkehr. Besonders beliebt waren dafür die spanischen 8-Reales-Stücke, weil ihr durchschnittlicher Feingehalt von 935/1000 nahezu dem chinesischen Standard von 937/1000 entsprach. Sie wurden shizi qian genannt, Münzen mit dem Zeichen 10, weil chinesische Benutzer das darauf abgebildete Kreuz als die Zahl 10 (shi) interpretierten. Unzählige Gegenstempel zeugen auf manchen Stücken davon, wie häufig sie ein Geldwechsler während ihres Umlaufs kontrolliert hat.
Auf Formosa, dem heutigen Taiwan, kursierten diese Stücke übrigens bereits im 17. Jahrhundert! Formosa war eine Insel vor der Küste Chinas, die über eine Reihe von wichtigen Handelshäfen verfügte, die ausländische Schiffe anliefen.

Opiumhöhle in der Chinatown von Kalkutta. Foto von 1945. Quelle: Wikipedia.

So besaß also die Gruppe der chinesischen Fernhändler schon eine Jahrhunderte lange Tradition im Umgang mit westlichem Geld, während das Herrscherhaus der Qing dieser wirtschaftlichen Entwicklung höchst skeptisch gegenüber stand. Kein Wunder, für China hatten die ausländischen Besucher nicht viel Gutes gebracht. Vor allem das britische Opium machte der Regierung zu schaffen. Die Engländer waren auf die „geniale“ Idee gekommen, den begehrten Tee und die kostspieligen Luxuswaren nicht mehr gegen Silber einzutauschen wie vorher, sondern gegen billiges Opium, das sie im von der East India Company kontrollierten Bengalen gewannen. Das verschob die Handelsbilanz zu Ungunsten Chinas und löste eine wirtschaftliche Neuorientierung aus, die aus einer technologisch weltweit führenden Nation ein Entwicklungsland machen sollte.

Die chinesische Bevölkerung hatte sich vor allem in den Handelszentren an die ausländischen Silbermünzen gewöhnt. Nun strömten sie aber nicht mehr wie bisher in die Kassen. Im Gegenteil, Silber floß ab, um Opium zu erwerben. Zurück blieb ein Vakuum an Zahlungsmitteln, das die Zentralregierung sich weigerte zu füllen. Private Unternehmer sprangen in diese Lücke.

Dieser seltene Dollar kommt in Auktion 198 der Osnabrücker Münzhandlung Fritz Rudolf Künker als Losnummer 9187 zur Versteigerung. Er ist nur einer der zahlreichen Höhepunkte, die in einer umfassenden Sammlung von chinesischen Münzen bietet. Seine Schätzung beträgt 4.000 Euro.

Unser Stück, das am 30. September 2011 im Rahmen einer großen Sammlung chinesischer Münzen beim Osnabrücker Auktionshaus Künker angeboten werden wird, gehört in diesen Zusammenhang. Es ist die erste in China hergestellte Münze westlichen Stils. Sie wurde während des Aufstands des Chang Wen im Jahre 1837 produziert, um die mit der Niederschlagung der Rebellion betrauten Truppen zu besolden. Aufstände waren auf Formosa eher Normalzustand. Ein weit verbreitetes Sprichwort lautete „Alle drei Jahre ein Aufstand, alle fünf Jahre eine Rebellion.“

Auf der Vorderseite der Münze sehen wir Shouxing, den Gott des langen Lebens. Er ist deutlich zu erkennen an seinem übergroßen kahlen Schädel. Links davon sind vier Schriftzeichen abgebildet, die übersetzt „Gegossen zur Zeit des Daoguang“ bedeuten. Kaiser Daoguang (= Glanz der Vernunft) herrschte vom 3. Oktober 1820 bis zu seinem Tod am 25. Februar 1850. Im Feld rechts stehen vier weitere Schriftzeichen für „7, 2 durch die Waagen der Schatzkammer“. Auf der Brust des Gottes sind ebenfalls vier Schriftzeichen zu finden, die „Silberkuchen der Standardfeinheit“ bedeuten.

Liu ding, späte Shang Dynastie. Shanghai Museum. Foto: Mountain / Wikipedia.

Die Rückseite zeigt ein „ding“, ein traditionelles Bronzegefäß mit – in diesem Fall – drei Beinen und zwei Griffen. Solche Geräte kennen die Chinesen seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. Vorher waren ähnliche Stücke aus Ton gefertigt worden. Ähnlich wie die griechischen Dreifüße wurde ein ding in China verwendet, um zu kochen und Vorräte zu lagern. Dazu kam der rituelle Aspekt: Im ding wurden die kultischen Mahlzeiten für die Ahnen zubereitet. Bald stand der „ding“ für Macht und Herrschaft über ein Land. Er wurde zu einem Symbol der staatlichen Macht, so daß in der chinesischen Sprache „das Verlangen nach dem ding“ gleichbedeutend ist mit dem Griff nach der Macht.
Die vier Schriftzeichen der Rückseite bezeichnen die Insel Formosa, die Stadt Kyahi im Südosten Taiwans, und das Wort „Staatsschatz“.

Was auf Taiwan begann, bürgerte sich Mitte des 19. Jahrhunderts auch auf Festlandschina ein. Bald wurden überall westliche Silbermünzen von privaten Unternehmungen mit mehr und weniger Abweichungen von europäischen Vorbildern produziert.
So konnte ein englischer Autor im Jahre 1844 schreiben: „Es gibt, sagt man, im Distrikt von Shunteh, südlich von Kanton, eine sehr große Einrichtung, in der tatsächlich hundert Arbeiter recht häufig angestellt sind (China kannte damals auch in Fabriken den Taglohn, Anm. d. Verf.). Dollars in allen Wertstufen werden hier hergestellt. … Man behauptet von diesen Falschmünzern sie verfügten über europäische Stempel, die sie unter großen Kosten herangeschafft hätten. Aber manchmal versuchen sie Nachahmungen, bei denen das Weglassen oder die merkwürdige Form einiger Buchstaben dem europäischen Auge die Täuschung verrät. Ihre Dollars sind aber so häufig im Umlauf, daß normalerweise Männer aus diesem Bezirk zum Geldwechsler ernannt werden.“

So wurden also schon längst in China Silbermünzen nach westlichem Vorbild hergestellt, ehe sich die chinesische Regierung auf britische Empfehlung dazu entschloß, in Kanton eine Münzstätte einzurichten. (Für die man selbstverständlich die notwendigen Maschinen im englischen Birminham bestellte.) Im Jahr 1889 wurden dort die ersten offiziellen Münzen der chinesischen Regierung ausgegeben.

Wenn Sie mehr über diese Münze und die große Sammlung chinesischer Münzen wissen wollen, bestellen Sie unter 0800-583 63 37 kostenlos den Auktionskatalog der kommenden Künker-Auktion. Sie finden Sie auch 5 Wochen vor dem Auktionstermin im Internet unter www.künker.de.