Verschollen und wiedergefunden – in Brentonico geopfertes Keltengold

von Univ-H.Prof. Doz. DDr. Helmut Rizzolli, Präsident der Stiftung Bozner Schlösser

Mit dem Umlauf der Münzen keltischer Stämme beginnt die Münzgeschichte des alttirolischen Raumes. Innerhalb der großen keltischen Welt spielt Alttirol als Passland eine besondere Rolle. Der Wandertrieb führte keltische Stämme vom 5.-1. Jh. v. Chr. von Ostfrankreich, West- und Süddeutschland bis zu den britischen Inseln, Südfrankreich, Spanien, Oberitalien, Böhmen und dem Noricum bis ans Schwarze Meer. Überall traten sie in fremde Kriegsdienste, sodass man sie als „Landsknechte des Altertums“ bezeichnen könnte. Aus dem Mittelmeerraum zurückkehrende keltische Söldner, die man mit Münzen bezahlt hatte, dürften im 2. Jh. v. Chr. die Geldwirtschaft auch in unsere Breiten gebracht haben.

Im Etschtal trafen zwei große keltische Währungsräume aufeinander: die oberitalienischen Nachprägungen der silbernen Drachmen aus Massilia (heute: Marseille) und die sog. bayerischen Regenbogenschüsselchen, d.h. Goldstatere mit rund 7,5 g Gewicht.

Obwohl die in Brentonico 1827 entdeckten Regenbogenschüsselchen verschollen waren, verblieb die Sage, dass der Regenbogen diese verursacht hätte. Quelle: Bürgerblog Brentonico.

Nach altem Volksglauben hinterließ ein Regenbogen dort, wo er den Erdboden berührte, ein Goldstück in Form einer Schüssel, nämlich das sog. Regenbogenschüsselchen. Sehr häufig sind diese Goldmünzen nach heftigen Regenfällen auf Äckern ausgewaschen worden.

Gian Battista Noriller hat 1871 einen Teil der in Brentonico gefundenen Münzen abgebildet. Die Nummern 1-3 betreffen die süddeutschen keltischen Regenbogenschüsselchen, 4-6 gallische Prägungen der Lingones, Nummer 7 ist eine keltische Massilia-Nachprägung aus der Po-Ebene.

Ein ähnlicher Umstand liegt auch der Auffindung von drei keltischen Regenbogenschüsselchen in Castello bei Brentonico (Rovereto) im fernen Jahr 1827 zu Grunde. Diese wurden zusammen mit mehreren keltischen Massilia-Nachprägungen und weiteren sechs Silbermünzen der Häduer oder Lingones (Kaletedu-Typ) gefunden. Diese Münzen gelangten in den Besitz des Rechtsanwaltes Giovanni Battista Noriller (1789-1872), der die Stücke in seinem Buch „I Lavini di Marco“ (Rovereto 1871) abbildete und beschrieb. Im Jahre 1834 wurden weitere tausend keltische Drachmen des Typs Massilia, davon drei mit P I R A K O S-Schrift, gefunden. 1854 kamen nochmals 250 padanische Drachmen am selben Fundort zu Tage.

Museumsheizkosten werden mit keltischen Goldmünzen bezahlt
1923 kamen die Noriller-Sammlung und die Brentonico-Stücke in die Sammlung des berühmten Archäologen Paolo Orsi, die im Museum von Rovereto landete. Vor 15 Jahren sind zwei der Brentonico-Regenbogenschüsselchen plötzlich im Veroneser Münzhandel aufgetaucht.

Unter dem vor einigen Monaten in München versteigerten keltischen Gold-Stater (Regenbogenschüsselchen) lag der abgebildete Bestimmungszettel, aus dem hervorgeht, dass die Münze zur Bezahlung der Heizkosten des Roveretaner Museums von der Museumsdirektion zum Verkauf freigegeben wurde (Coll. Paolo Prof. Orsi. Venduto a me dal direttivo del museo per mancanza di fondi per pagare il riscaldamento dell’ufficio del museo).

Erst das alte Bestimmungszettelchen der dritten Goldmünze, die in München vor einigen Monaten versteigert wurde, gibt Aufschluss, warum das Roveretaner Museum, das großteils über den Paolo-Orsi-Nachlass verfügt, die Brentonico-Goldmünzen nicht mehr besitzt.
Um die Heizkosten für das Museumsbüro zu bezahlen, hat man die Stücke noch in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts verkauft. Auch eine museale Aufbewahrung ist in Notzeiten keine Garantie!
Nun sind alle drei Regenbogenschüsselchen überraschenderweise wieder ans Licht gekommen. Fast hundert Jahre waren sie verschollen und sind jetzt durch glückliche Umstände für wissenschaftliche Untersuchungen, wie etwa Gewichts- und zerstörungsfreie Metallanalysen, verfügbar.

Die Bilderwelt der keltischen Regenbogenschüsselchen: das Adlergold
Im Unterschied zum anderen Keltengold, das sich bildlich und nominell genau von den griechischen Münzen ableiten lässt, haben die süddeutschen Regenbogenschüsselchen eine völlig autonome Bildsprache. Noch im 17. Jh. glaubten daher gewisse Gelehrte, dass sie vom Himmel gefallene Naturphänomene bzw. aus dem Boden gewachsen seien.
Noch im 19. Jh. wurde diese neue abstrakte, oft rein ornamentale Bilderwelt als roh und barbarisch bezeichnet. Heute ist unser Auge an den Werken von Klee, Picasso, Mirò bis hin zu den „neuen Wilden“ so geschult, dass wir die fantasievolle Gestaltung mancher keltischer Münzbilder wieder zu schätzen wissen.

Vergleich der Noriller-Zeichnungen mit den wieder ans Licht gekommenen Originalen.

Alle drei Goldmünzen aus Brentonico, die wegen ihres Gewichtes von 6,77 g bis 7,82 g nominell etwa den griechischen Stateren entsprechen, zeigen einen konvexen Vogelkopf mit gebogenem Schnabel. Zwei davon weisen auf der konkaven Seite einen Torques auf, in dessen Innenfeld sich sechs Kugeln befinden. Auch ist in diesen beiden Fällen über und unter dem Schnabel eine Kugel zu erkennen. Möglicherweise stellen die Kugeln eine Wertangabe dar, in Anlehnung an das republikanische römische As, einer Bronzemünze mit dem Schiffsbug.

Der berühmte „sterbende Gallier“ im kapitolinischen Museum mit Torques als Halsschmuck.

Der dargestellte Torques ist ein metallischer Ring wie ihn keltische, d.h. gallische, Krieger als Halszierde und Statussymbol trugen, z.B. der berühmte „sterbende Gallier“ im kapitolinischen Museum. Gewisse Finder sahen darin allerdings den berühmten Regenbogen als Verursacher der Goldschüsselchen.
Der dritte Goldstater aus dem Fund von Brentonico zeigt zwar den üblichen Adlerkopf, auf der konkaven Seite allerdings befindet sich ein vierstrahliger Stern mit drei Kugeln darüber, unten erkennt man zwei Voluten mit Korn.
Datierbar sind die Regenbogeschüsselchen nicht später als circa in die Mitte des 1. Jh. v. Chr. Dies auch auf Grund des Standardgewichtes von 7,5 g und dem wohl noch zu überprüfenden reduzierten Goldanteil von 69-70%. Meist wurden sie den Vindelikern, den keltischen Nachbarn der Räter, zugewiesen und haben wahrscheinlich in der Keltenstadt Manching bei Ingolstadt wegen der dort gefundenen Gussformen (Tüpfelplatten) ihren Herstellungsort.

Wer hat den einzigartigen keltischen Münzschatz verborgen?
Zwar gibt es Einzelfunde von Regenbogenschüsselchen im alttirolischen Raum (Himmelreich bei Wattens, Siebeneich/Greifensteiner Hang, Sigmundskron, Berg Isel/Innsbruck) aber die Anhäufung von Keltengold in Brentonico ist bisher einmalig. Sicherlich gehörte der Fund zur alpenüberschreitenden eisenzeitlichen Kultur von Fritzens (Unterinntal)-San Zeno (Nonsberg), aber trotzdem hat das massive Zusammentreffen von süddeutschen, padanischen und gallischen (Lingones) Keltenmünzen Erklärungsbedarf.

Christina Bassi hat 1998 an einen Opferplatz/Wallfahrtsort am exponierten, ins Etschtal ausgerichteten Fundort gedacht und auch die gefundenen, unbrauchbar gemachten Waffen als Argument ins Feld geführt. Ganz anderer Meinung ist hingegen Giovanni Gorini, der im selben Jahre völlig andere Schlüsse zieht. Für Gorini besteht die einzige plausible Erklärung für die Ansammlung von Münzen in Brentonico in der Beute römischer Veteranen des Feldzugs Cäsars gegen die Vindeliker 59/58 bzw. 57/56 v. Chr., als der Feldherr mit seinen drei Legionen bei Aquileja überwinterte.
Eine Parallele der Münzfunde von Brentonico, die in ihrer zeitlichen Verteilung noch genauer zu überprüfen sind, zu den Münzfunden am Wattener Himmelreich drängt sich jedenfalls auf. Das Wattener Himmelreich ist eine rätische Siedlung und die Münzfunde stammen mit dem Regenbogenschüsselchen von der vorgelagerten Kuppe auf der sich einst ein Brandopferplatz befand.

Mehr Artikel zu keltischen Münzen finden Sie in unserer Archivrubrik Antike / Kelten.