Macht und Ohnmacht in der Kunst

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10. März 2016 – Das Museum August Kestner in Hannover zeigt bis 24. Juli 2016 die Sonderausstellung „Macht und Ohnmacht. Pharaonen, Cäsaren, Fürsten, Bürger“. Quer durch die Zeiten und Kulturen wird das Phänomen Macht in Gesellschaft, Kunst und Kultur hinterfragt.

Der Blick in die tägliche Zeitung zeigt, dass „Macht“ einer der Leitbegriffe unserer Gesellschaft ist. Das Streben nach und das Ringen um Macht – in Politik, Wirtschaft, und in den kleinen alltäglichen Verhältnissen – bestimmt die öffentliche Diskussion und den Umgang der Menschen miteinander. Grund genug für das Museum August Kestner, um die Machtfrage zu stellen und einen Blick zurück auf die Strategien von Machterwerb und Machterhalt in vergangenen Zivilisationen zu werfen.

Aureus, Römisches Reich, Trajan, Gold, 114-117 n. Chr. Zwei Gefangene an einem Siegesmal. Slg. Willers 0485#002 (Rückseite). © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Denn Macht, also „die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen“ (Max Weber), ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. 

Kylix (Trinkschale), Motiv: Rollenbilder von Mann und Frau, 1. Hälfte 5. Jh. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Aristoteles sprach in Bezug auf das Athen der klassischen Zeit davon, dass „der eine Teil (der Einwohner) Herrschaft ausüben und der andere sie erfahren muss.“ Und der Aufklärer Immanuel Kant meinte, der Mensch sei ein selbstsüchtiges Tier, das seine Freiheit missbrauche. Um Freiheit wirklich erfahren zu können, bedürfe er eines Herrn, „der ihm den eigenen Willen breche, und ihn nötige, einem allgemeingültigen Willen zu gehorchen“. 

Medaille auf die Kapitulation von Spandau, Silber, Napoleon I., 1806. Slg Patschke 10761.663.130 (Rückseite Stadtgöttinnen). © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Macht, das sah Kant mit der ihm eigenen nüchternen Präzision, bedingt „Ohnmacht“, also Unterwerfung, Unterordnung, Gehorsam. Aber wo genau die Grenze zwischen Macht und Ohnmacht liegt, wer mächtig und wer ohnmächtig ist, erweist sich keineswegs als so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Ägyptische Pharaonen, römische Kaiser, absolutistische Fürsten und neuzeitliche Staatenlenker, Verkörperungen des Mächtigen, glorifiziert in strahlenden Abbildern, waren und sind eingebettet in ein komplexes, von wechselseitigen Abhängigkeiten bestimmtes Gesellschaftsgefüge. 

Reiterbüste des Königs Friedrich II. Porzellan, Entwurf: Carl Gottlieb Schubert, 1779/80, Herzoglich Braunschweigische Porzellan Manufaktur, Fürstenberg. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Jean-Jacques Rousseau, der Kritiker der Königsmacht im Frankreich des 18. Jahrhunderts und Verfechter eines republikanischen Gesellschaftsvertrags, hatte diesen Zusammenhang im Sinn, als er schrieb: „Der Mensch wird frei geboren, aber überall liegt er in Ketten. Manch einer glaubt, Herr über die anderen zu sein, und ist ein größerer Sklave als sie.“ Und die bedeutende Philosophin Hannah Arendt verstand Macht als die menschliche Fähigkeit, sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. „Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält. Wenn wir von jemand sagen, er ‚habe die Macht‘, heißt das in Wirklichkeit, dass er von einer bestimmten Anzahl von Menschen ermächtigt ist, in ihrem Namen zu handeln.“ Die Vorstellung von den großen, einsamen Machthabern ist also fragwürdig und dennoch weit verbreitet. 

Statuette, gefangener Germane, Bronze, römisch, 1. Jh. n. Chr.
Museum August Kestner. Fotograf: Chr. Tepper. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Über diesen grundlegenden Gesichtspunkt hinaus setzt die Ausstellung „Macht und Ohnmacht“ folgende thematische Akzente:

  • Sie stellt zunächst die Frage nach den Ursprüngen von Macht und Ohnmacht und nach der Herkunft des Begriffs.
  • Sie entfaltet dann in einem „Kaleidoskop der Macht“ das breite Feld der Assoziationen und die vielfältigen Facetten dieses schillernden, jahrtausendealten Phänomens: Begriffe wie Machtritual, Macht der Gewohnheit, Machtverlust, Markenmacht, Machtergreifung, „Wissen ist Macht“, Macht der Bilder etc. werden in einem breiten Exponatspektrum veranschaulicht.

 

Herlinde Koelbl: Gerhard Schröder, 1998, aus der Serie „Spuren der Macht“,
Herlinde Koelbl. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

  • Sie präsentiert Insignien der Macht von der Krone über das Zepter bis hin zu Orden und – als moderne Variante – der Zigarre.
  • Sie spürt den Strategien von Machterwerb (Abstammung / Geburt, Gewalt und Krieg, Besitz, Wahl) und Machterhalt (Recht und Ordnung, Glauben, Reichtum) nach.
  • Sie stellt Beispiele für Machtdemonstrationen vor in Form von Porträts und Büsten, durch Repräsentation mit exklusiven, luxuriösen, außergewöhnlich kunstvoll gearbeiteten Schmuck- und Einrichtungsgegenständen sowie mit herrschaftlich-beeindruckender Architektur.

Liktor mit fasces (Rutenbündel mit Richtbeil), Bronze, Römisch, 1. Jh. n. Chr. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

 

  • Sie fragt nach den „feinen Unterschieden“ bei der Gestaltung des alltäglichen Lebensumfeldes und nach der Macht des guten bzw. vorbildlichen Geschmacks.
  • Schließlich wirft sie einen Blick auf den höchst aktuellen Machtkampf oder besser: die Machtbalance der Geschlechter, also die Frage nach der Machtverteilung zwischen Männern und Frauen, und den damit verbundenen Bildern von Mann und Frau in den Zivilisationen.

 

Integriert in den Ausstellungsrundgang sind Stationen zur sinnlichen Erfahrung der Exponate: Ein Thron lädt dazu ein, die Position des Machthabers einzunehmen …

Ägyptischer Steinsplitter (Ostrakon) mit der Karikatur des Vorgesetzten Hay
Kalkstein, Neues Reich, 19.-20. Dyn., 1210-1168 v. Chr. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover

Die Ausstellung „Macht und Ohnmacht“ im Museum August Kestner geht ungewöhnliche, in der Museumskultur bislang wenig betretene Wege. Sie greift ein aktuelles Thema auf und eröffnet eine weite, Jahrtausende übergreifende Perspektive. Sie stellt die vergangenen Zivilisationen in Beziehung zueinander: das Alte Ägypten, die Zivilisationen der Antike (Griechen, Etrusker, Römer) sowie die des Abendlands vom Mittelalter bis hin zur Gegenwart. 

Schachspiel, Elfenbein, geschnitzt, China, 19. Jh. © Museen für Kulturgeschichte Landeshauptstadt Hannover.

Damit legt diese Ausstellung das Fundament für eine neue Ausstellungskultur im Museum August Kestner: Zu ausgewählten Themen, von denen wir denken, dass sie Aktualität und für Menschen von heute hohe Relevanz besitzen, verknüpfen die kommenden Ausstellungen die faszinierenden Sammlungen des Museums aus den Bereichen der Ägyptologie, der klassischen Archäologie, der Numismatik sowie dem Kunsthandwerk und Design zu einer Textur. Ergänzt werden die herausragenden Sammlungsstücke des Hauses um kulturgeschichtlich spannende Artefakte aus anderen Sammlungen der Museen für Kulturgeschichte und anderer hannoverscher Sammlungen. 

Ziel einer solchen interdisziplinären Ausstellungskultur ist es, den Horizont der Wahrnehmung und Erfahrung zu erweitern. Zugleich geht es uns darum, die Korrespondenzen und Differenzen der unterschiedlichen Zivilisationsmuster zu markieren. Die Museumsbesucher sind eingeladen, auf diese Weise die Fremdheit und die Nähe vergangener Zivilisationen im Verhältnis zu unserer heutigen Lebenswelt kennenzulernen.

Die Ausstellung „Macht und Ohnmacht“ wird begleitet von einem umfangreichen Programm mit Bildungs- und Freizeitangeboten.

Näheres finden Sie dazu auf der Webseite des Museums.