Die „Venus Pudica“ aus Nysa-Skythopolis (Beth Shean) und Ptolemais (Akko)

von Yoav Farhi

Ein Vergleich zwischen einer Aphroditestatue, die man in Beth Shean fand, und einem Münztyp aus der Münzstätte von Ptolemais erinnert uns daran, wie realistisch die Statue auf städtischen Prägungen wiedergegeben wurden und unterstreicht die Bedeutung dieser Münzen für die Rekonstruktion der Lebenswelt römischer Städte.

Münze aus Ptolemais.

Ein Münztyp, der in Ptolemais (Akko) während des 3. Jahrhunderts u.Z. geprägt wurde, zeigt auf der Rückseite ein Bild der Aphrodite und einer weiteren Figur neben ihr.

Aphrodite von Beth Shean, zweites Jahrhundert u.Z. Sammlung der Israel Antiquities Authority. Foto: © The Israel Museum, Jerusalem. Avraham Hay.

Die gut erhaltene Marmorstatue einer Aphrodite, die man 1993 bei Ausgrabungen in Beth Shean fand, wirft ein Licht auf diesen Münztyp. Die im östlichen Trakt der Badeanlagen ausgegrabene Statue hat G. Foerster ausführlich besprochen. Sie ist gut erhalten (mit Ausnahme des fehlenden Kopfes und einiger Teile von Händen und Füßen) und weist noch zahlreiche Spuren der Bemalung auf. Entlang dem linken Bein der Göttin verläuft eine gut erhaltene Stütze in Form eines geflügelten Amor, der auf einem Delphin über Wellen reitet.
Diese Statue gehört einer gut bekannten Statuengruppe an, die eine gänzlich nackte Aphrodite abbildet. Da diese Statuen Aphrodite zeigen, wie sie schamhaft mit ihren Händen Scham und Brüste bedeckt, sind die Bildnisse seit dem 19. Jahrhundert unter dem Namen „Venus Pudica“, also „Schamhafte Venus (Aphrodite)“, bekannt.
Hill beschrieb den Münztyp wie folgt: „Aphrodite im Typus Medici, begleitet von Eros auf einem Delphin in einem bogenförmigen Schrein.“ Weder M. Bernhart, noch später L. Kadman identifizierten genau das Gebäude, in dem Aphrodite stand; sie sahen sie lediglich unter einem Bogen stehen. Kadman meinte auch, dass „… die Figur an ihrer Seite wohl als Brunnenspeier Verwendung fand.“ Meshorer schlug vor, dass Aphrodite in einem Bad oder einer Nische stand, doch er sah in der kleinen Figur den „Marsyas des Forums“, aber keinen Eros.

Ein gut erhaltenes Exemplar der Sammlung Sofaer zeigt ganz deutlich die Aphroditestaute und ein Abbild eines Eros auf einem Delphin. Auf der Vorderseite der Sofaer-Münze ist ein nach rechts schauender Philipp II. mit Strahlenkrone und drapierter Büste zu sehen, dazu die Inschrift: [IVL] PHILIPPVS NOB CAES. Die Rückseite zeigt eine nackte Aphrodite in Frontalansicht, wie sie unter einem Bogen steht. Zu ihrer Linken sieht man einen Eros auf einem Delphin reiten, wobei er mit seiner Rechten eine Peitsche schwingt; zu ihrer Rechten ein geflügelter Caduceus (das Münzzeichen der Stadt). Eine weitere Inschrift steht im Feld links und rechts von dem Bogen: COL – PTOL (also Colonia-Ptolemais).

Münztypen mit Aphroditedarstellung im Typus Knidos oder Medici kennen wir aus verschiedenen Städten des östlichen Mittelmeerraums, vor allem aus dem Kleinasien des späteren 2. und frühen 3. Jahrhunderts u.Z. Manche Münzen zeigen Aphrodite in einem Bogen mit zwei Säulen (in manchen Fällen auch von einem Delphin begleitet, aber ohne Eros); eine andere Münze stellt sie in Begleitung eines auf einem Delphin reitenden Eros dar, aber nicht unter einem Bogen. Auf den meisten dieser Münzen blickt sie nach links oder rechts, nicht jedoch nach vorne. Insofern ist, soweit mir bekannt ist, die Darstellung auf der Münze aus Ptolemais einzigartig.

Wie zuvor erwähnt mag eine Betrachtung der Statue aus Beth Shean neues Licht auf diesen Typus werfen. Vor dem Hintergrund dieser Statue scheint es deutlich zu sein, dass die Figur des Eros auf einem Delphin nicht als Brunnenspeier diente, wie Kadman (s.o.) vorschlug, sondern als Stütze für Aphrodite. Die Darstellung eines Eros, der auf einem Delphin reitet und eine Peitsche schwingt und so Aphrodite begleitet, war weit verbreitet, wie Foerster aufgezeigt hat. Und die Kombination eines Eros mit einem eindeutig maritimen Sujet spielt auf die Geschichte von Aphrodites Geburt aus der Meeresgischt an (Hesiod, Theogonie, 188-199). Weder der Eros, noch der Delphin sind auf der Münze in Frontalansicht dargestellt – so sieht man sie allerdings bei der Statue. Auf der Münze hingegen hat man sich dafür entschieden, beide im Profil zu zeigen, damit der Betrachter sie deutlicher erkennen konnte.

Liest man Foersters Beschreibung der Statue und betrachtet dabei die Münze, so tritt die Ähnlichkeit ganz deutlich hervor: „Aphrodite ist nackt dargestellt, sie steht in einer klassischen Kontraposthaltung: Das Gewicht ist auf das linke Bein gelegt, das rechte Bein ist entspannt und leicht am Knie gebeugt; ihr Körper lehnt sich leicht nach links vorne … mit ihrem rechten Arm bemüht sich Aphrodite vergebens ihre entblößte Brust zu bedecken, während ihre linke Hand ihre Scham bedeckt …“

Wie oben schon erwähnt nahm Hill an, dass Aphrodite in einem bogenförmigen Schrein stand, während Bernhart und Kadman sie lediglich unter einem Bogen stehen sahen. Meshorer war der erste, der vorschlug, Aphrodite stehe in einem Bad. Ausgehend von der Statue aus Beth Shean und ihrem Fundort scheint die Vermutung überzeugend, der Bogen, unter dem Aphrodite steht, repräsentiere entweder die örtliche Badeanlage, oder aber die Nische innerhalb der Badeanlage, in welcher ihre Statue stand. Im übrigen ist auch das Thema der Aphrodite in Begleitung eines delphinreitenden Eros vermutlich mit Baden und Wasser zu verbinden.
Schon Kadman erkannte, dass Darstellungen der Aphrodite auf der städtischen Münzprägung Phönikiens und Palästinas äußerst selten sind. Außerdem, wie oben erwähnt, ist keine weitere Darstellung wie die auf den Münzen von Ptolemais aus irgendeiner anderen Stadt in der Region bekannt. Da dieser Münztyp mit der Aphroditestatue in Begleitung eines Eros unter mehreren Kaiser in Ptolemais geprägt wurde, dürfte dies die Bedeutung und Beliebtheit eines bestimmten Badegebäudes widerspiegeln, das auf den Münzen abgebildet ist. Kadman, und später Meshorer, schlugen vor, darin das Bad zu erkennen, welches in der wohlbekannten Geschichte des Rabban Gamliel aus dem zweiten Jahrhundert erwähnt wird: Proklos, Sohn des Philosophos, nähert sich Rabban Gamliel in Akko, während eines Besuchs der Aphroditethermen und sprach zu ihm: „In deinem Gesetz steht geschrieben: ‚Und nicht hafte irgendwas vom Banngut an deiner Hand.‘ Warum also badest du in den Aphroditethermen?“ Er antwortete: „In den Thermen soll man nicht antworten.“ Und als er herauskam, sprach er: „Ich kam nicht innerhalb ihres Reichs, sie kam in das meine! Man sagt nicht: ,Lass uns ein Bad bauen für Aphrodite‘, sondern ,Lass uns eine Aphrodite machen zur Verschönerung des Bades‘. […].

Die Aphrodite von Beth Shean konnte dem Kapitolinischen Typus zugewiesen werden, aber – wie Foerster selbst erkannte – die Art, in der die Zöpfe vor den Schultern (nicht aber dahinter) herabfallen, ist nicht identisch mit dem Kapitolinischen Typus. Was Hills und Kadmans Identifizierung der Aphrodite auf der Münze mit dem Typus Medici angeht, so ist festzuhalten, dass deren Haar komplett zusammengebunden und überhaupt nicht in Zöpfen geflochten ist.

Daher scheint es, dass die Statue aus Beth Shean und der Münztyp aus Ptolemais, sowie eine weitere Statue aus Perge in Kleinasien, eine östliche Variante der bekannten Kapitolinischen und Medici-Typen darstellen, die sich hinsichtlich der Frisur der Göttin unterscheiden. Foerster vermutete, dass sowohl die Aphrodite von Perge als auch die Aphrodite aus Beth Shean in derselben Werkstatt gefertigt wurden. Man könnte vielleicht sogar annehmen, dass auch die Statue der Aphrodite aus Ptolemais, die auf der Münze abgebildet ist, aus derselben Werkstatt stammt.

Die bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen der Statue aus Beth Shean und der Darstellung auf dem Münztypus von Ptolemais trägt nicht nur zum Verständnis des Münztypus von Ptolemais bei, sondern erinnert uns auch an den Realismus der Darstellung von Statuen auf städtischen Prägungen und der Bedeutung dieser Münzen für die Rekonstruktion der Lebenswelt römischer Städte.

Dies ist die Übersetzung eines Artikels, der im Israel Exploration Journal 61, 2, 2011, 217-222 erschienen ist mit ausführlichen Belegen und einer umfassenden Bibliografie.