Die Münzprägung von Ephesos

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von Ursula Kampmann

11. Mai 2017 – Sind wir ehrlich. Stefan Karwiese mutet dem durchschnittlichen Numismatiker immer wieder eine überraschende Variante des Gewohnten zu. Die Abbildungen seines 1995 erschienenen 1. Bandes der Münzprägung von Ephesos wurden legendär. Die in unterschiedlichen Maßstäben gedruckten – ziemlich schlechten Fotos – der Elektronmünzen wurden zusätzlich – „aus drucktechnischen Gründen“ – um 10 % verkleinert. Über seinen 2012 erschienenen ersten Band MvE 5.1 mit Katalog und Abbildungen urteilt das RPC 3.1, dass „eine Art alphabetische Ordnung“ eingehalten werde, „die die Entwicklung der Münzprägung innerhalb einer Regierung verschleiere“. Und auch hinsichtlich des neuen Buchs sieht sich der Verlag zu folgender Bemerkung veranlasst: „Der Verlag weist darauf hin, dass die Gestaltung des vorliegenden Bandes den besonderen Wünschen des Autors folgt.“ Was wahrscheinlich die nachträgliche Überklebung des Impressum auf der 4. Seite erklärt.

Stefan Karwiese, Die Münzprägung von Ephesos (MvE) 5. Corpus und Aufbau der römerzeitlichen Stadtprägung. 2. Statistiken, Metrologie und Kommentare. Veröffentlichungen des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte 18. Österreichische Forschungsgesellschaft für Numismatik, Wien 2016. 350 S., Grafiken und Abbildungen in Farbe, 30,2 x 21,6 cm, Hardcover. ISBN: 978-3-9501987-7-5. 48 Euro zzgl. Porto.

Was also bietet das neue Buch? Zunächst ist es streng geordnet – und das nach Kaiserherrschaften. Zu jedem Herrscher wird eine Statistik erarbeitet, die alle erfassten Münzen zählt, ihre Vorder- und Rückseitenstempel, die Zahl der nachgewiesenen Münzmeister und die Zahl der Münztypen. Es folgt eine Aufstellung der Stempelkopplungen in einem Diagramm. Es handelt sich um ein kompliziertes Diagramm für das man einige Zeit braucht, um zu verstehen, was es sagen will. Die Rezensentin war leider nicht in der Lage, so viel Zeit aufzuwenden, dass es ihr seine Botschaft enthüllt hätte. Danach gibt es ausführliche Abhandlungen zur Metrologie, ebenfalls mit komplexen Tabellen und umfangreichen Erklärungen.
Zuletzt folgt der Kommentar. Er konfrontiert den Leser mit zahlreichen Behauptungen, die nicht näher begründet werden. Hier ein paar Beispiele (für deren Suche nicht mehr als 2 Minuten aufgewendet wurden): „Als älteste Exemplare der Gruppe sind jene ohne Namen anzusehen, sie werden an den Anfang zu stellen sein;“ „Die gestaffelten Köpfe der IIIviri zeigen kaum Porträtähnlichkeit, auch nicht im Falle Octavians, der ja wohl als der vorderste gereiht sein wird.“ (wirklich? und warum nicht Marcus Antonius, wenn schon, wie auf der nächsten Seite vermerkt) „Im Übrigen fallen die Köpfe der IIIviri wegen ihrer Schmalheit auf: Eine Ausnahme ist da allerdings die Vs. 1, bei der die vorderste Büste an M. Anton erinnert.“ Oder enigmatisch: „Eine neue Variante der aurelischen Dadophoros (LN304) mit der gleichen Legende wie beim Priesterkaiser verweist mit drei monumentalen Münzen auf die Bedeutung der Pannychides im Kult, jener nächtlichen Feiern, die auch anderswo neben Dionysos der Artemis geweiht waren.“

Man muss also schon einiges an akademischer Offenheit mitbringen, um dem Autor bei seinen Kommentaren zu folgen oder ihn gar zu verstehen. Sie umfassen 224 Seiten und damit den größten Teil des Buches.
Unterbrochen werden sie durch Schlussstatistiken, in denen die Statistiken nach Kaisergruppen zusammengefasst und die Rückseitentypen den Herrschern zugeordnet werden.

Es folgt ein Bildinventar, in dem nach Kaisern geordnet, erst ALLE Vorderseiten hintereinander publiziert werden, um dann – nach Rückseitenthemen geordnet – alle Rückseiten darzustellen. Nun, man kann sich durchaus eine Verwendung für dieses „Bildinventar“ vorstellen. Wer keine Lust hat, sich durch das erste Corpus MvE 5.1 zu blättern, kann hier mit relativ geringem Aufwand die relevante Rückseite einer gesuchten Münze finden und ihr eine Nummer zuschreiben. 

Iulia Mamaea. Ephesos. Bronze. BMC 328. SNG von Aulock 1911. SNG Cop. vgl. 468 (Av), 471 (Rv). Karwiese nicht zitiert. Aus Auktion NAC 100 (2017), Nr. 1226.

So wäre also zum Beispiel, die gerade im aktuellen NAC Katalog publizierte – und aus verständlichen Gründen nicht nach Karwiese bestimmte – Bronzemünze der Iulia Mamaea als Karwiese MvE 5.2 Iul. Mamaea Vs 1 / Rs 806 zu beschreiben. Wobei die Identifizierung der Rückseite wegen der sehr unterschiedlichen Qualität der Fotos nur möglich war, nachdem die Tabelle konsultiert wurde, in der die beiden Rückseitenstempel mit Apeme-Darstellung aufgelistet sind, die mit dem Porträt der Kaiserin Iulia Mamaea gekoppelt sind. Ach ja, und wenn Sie sich fragen, warum der Autor das Wort „Apeme“ statt des für den durchschnittlichen Numismatiker wesentlich verständlicheren Wortes Kultwagen benutzt. Keine Ahnung.

Es folgen weitere Tabellen, über deren Sinn und Unsinn sich trefflich streiten lässt. Wie über Sinn und Unsinn dieses Buches. Vielleicht ist es genial, aber leider ist die Rezensentin als durchschnittliche Numismatikerin damit überfordert, diese Genialität zu erkennen. Sie ist der altmodischen Ansicht, dass die provinziale Numismatik dazu dient, die verlorenen Lokalgeschichten all dieser Städte zu rekonstruieren, ihre Kulte zu verstehen und ihre politische Organisation. Solche Fragen interessieren den Autor nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist das Auftreten des „Knöchelspielers“, der eine weit gefächerte Literatur hervorgebracht hat, in der die Funktion von Losorakeln diskutiert wurde. Über so ein Orakel erfährt man bei Karwiese nichts – auffällig genug gibt es in Karwieses Buch kein Verzeichnis der benutzten Sekundärliteratur. Aber man erfährt durchaus, wann dieser „Knöchelspieler“ abgebildet wurde und das auf wie vielen Stempeln. Und damit stellt sich die entscheidende Frage: Wen interessiert das?

Sie können das neue Buch von Stefan Karwiese bestellen beim Institut für Numismatik und Geldgeschichte. 

Der erste Band der Reihe ist weiterhin lieferbar und kann hier bestellt werden.

Ein weiterer Band ist in Vorbereitung. Wahrscheinlich wird er den fehlenden kulturhistorischen Hintergrund liefern.