Die Sonntags-Treffen

[bsa_pro_ad_space id=4]

von Mark Teller

19. Juni 2014 – Im Jahre 1970 beschloss eine Gruppe von Numismatikern, sich künftig sonntags zu einem Frühstück zu treffen. Zunächst trafen wir uns bei Factor’s Deli und besuchten danach andere Orte auf der West-Side von Los Angeles und West San Fernando Valley. Nun sind 40 Jahre vergangen, und wir pflegen diesen Brauch noch immer, treffen uns jeden Sonntagmorgen um 9:30.

Die Gründungsmitglieder, allesamt engagierte Numismatiker, waren Richard „Dick“ Lissner, Irving „Irv“ Goodman sowie M. Louis „Mark“ Teller. Innerhalb eines Jahres wurde unsere Gruppe verstärkt durch Dr. Lawrence „Larry“ Adams, einem bekannten Arzt aus Los Angeles. Über die Jahre nahmen auch so illustre Sammlerpersönlichkeiten wie Dr. Osmund Chan, Dr. Robert Hesselgesser und Paul Covey aus San Antonio oft an unserem Tisch Platz. Ehefrauen, Kinder und Enkel nahmen ebenfalls häufig Teil. Später wurde auch Dr. Vladimir Golovchinsky ein Mitglied unserer Gruppe. Victor England besuchte uns manchmal, wenn er gerade auf der Durchreise war. Im Vordergrund standen immer die lebhaften Gespräche rund um die Numismatik, und auch die Präsentation außergewöhnlicher numismatischer Objekte durfte nie fehlen.

Die Politik, Neuigkeiten aus aller Welt und andere aktuelle Ereignisse riefen oftmals lebhafte Diskussionen hervor. Die ganze Bandbreite politischer Ideen war vertreten und wurde ausgelotet. Wir waren gute Freunde, die einander aufmerksam zuhörten und in aller Freundschaft miteinander diskutierten. Wir sparten auch persönliche Themen nicht aus. Wir waren Kumpane in einer eingeschworenen Gruppe.

Mit fortschreitendem Alter waren unsere Treffen zwar weiterhin lebhaft, doch konnten einige Mitglieder wegen Krankheiten oder aus anderen Gründen nicht mehr teilnehmen.

Richard Lissner.

Vor kurzem verstarb nun Dick Lissner im Alter von 87 Jahren. Sein Tod ist ein großer Verlust für uns alle. Er war nicht nur ein wunderbarer Mann, sondern auch einer der großen Münzsammler nicht nur von Los Angeles, sondern weltweit. Seine Sammlung von großartiger Qualität umfasste alle Weltmünzen aus dem 19. und dem 20. Jahrhundert, mit Ausnahme von Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika. Doch auch wenn er auf eine schöne Münze aus dem 17. oder dem 18. Jahrhundert stieß, fügte er sie seiner Sammlung hinzu.

Sein numismatisches Leben begann im Alter von 10 Jahren, als er anfing, Lincoln Cents zu sammeln, von denen er einmal ein seltenes Exemplar 1914-D in seinem Wechselgeld für einen Fahrschein in der Straßenbahn fand. Während der High School trat er in das U.S. Army Air Corps Kadettenprogramm ein, und trat nach seinem Abschluss 1943 dem U.S. Army Air Corps bei. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg besuchte er die Standford University und promovierte an der University of California, Berkeley, mit Cum Laude. Nach Zusagen von Harvard, Yale und anderen hochrangigen Bildungseinrichtungen entschied er sich für Yale, wo er seinen Abschluss in Rechtswissenschaften machte. Seine Frau Judy heiratete er 1952, und sie lebten in Los Angeles im Stadtteil Brentwood, wo sie ihre vier Kinder großzogen.

Dicks Familie waren im Zuge des Goldrausches nach Kalifornien gekommen und konnten einen eindrucksvollen Hintergrund vorweisen – so war ein Familienmitglied Großrabbiner im polnischen Lisse gewesen, und ein Urgroßvater war schon in jungen Jahren von Zuhause weggegangen und hatte sich in Massachusetts niedergelassen. Dicks Urgroßvater war mit dem Schiff nach Kalifornien gereist und hatte zu Fuß den Isthmus von Panama durchwandert, bevor er dann seine Reise nach San Francisco mit dem Schiff weiter fortsetzte. In San Francisco angekommen, wurde er ein erfolgreicher Geschäftsmann, als er die Tochter eines anderen erfolgreichen Geschäftsmannes heiratete. Sein Vater mit Mitbegründer der ersten professionellen Baseball-Mannschaft von Oakland (‚Oakland Oaks‘, 1879 gegründet).

Aus dieser Familie von erfolgreichen Geschäftsleuten ist auch Dicks Großvater zu nennen, Meyer Lissner, der ein erfolgreicher Staatsanwalt war, und enge Verbindung zur Politik und ihrem Innenleben hatte.

Stolz war Dick auf die geerbten Briefe, die sich sein Großvater mit Präsident Theodore Roosevelt geschrieben hatte. Als politischer Reformer lag Meyer mit der konservativen Zeitung Los Angeles Times im Clinch. The Times veröffentlichte eine Reihe scheinbar antisemitischer Cartoons von Meyer und die gegenseitige Abneigung verstärkte sich. Meyer engagierte sich sehr stark in der Politik von Kalifornien und leitete den Wahlkampf für den republikanischen Senator Hiram Johnson, der von 1917 bis 1945 Senator in Kalifornien war. Meyer Lissner starb im Jahre 1930. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein U.S. Liberty-Schiff nach dem verstorbenen Meyer Lissner benannt.

Richards Vater war in den 1920ern stellvertretender Bundesstaatsanwalt in Los Angeles, bevor er zur Kanzlei Loeb und Loeb in Los Angeles wechselte, wo er Partner wurde. Nachdem er die Jurisprudenz eine Zeitlang betrieben hatte, fing Dick, der niemals für den Berufsstand eines Juristen brannte, an, sich um Grundstücke im Zentrum von L.A. zu kümmern, die im Besitz seiner Familie waren. Sein Großvater mütterlicherseits, Isidor Eisner, hatte einmal die meisten Hochhäuser in der Innenstadt von Los Angeles besessen. Die meisten von ihnen gibt es heute noch.

Obwohl Dick aus seiner wohlhabenden Familie in Los Angeles mit besten Verbindungen kam, blieb er doch immer bodenständig auf eine freundliche, zugängliche Art. Genau wie seine Vorfahren war auch er ein Philanthrop. Der Verfasser dieses Artikels denkt am liebsten daran zurück, wie Dick einmal beim Verlassen eines Theaters im kalifornischen Santa Monica einen Obdachlosen sah, der keine Schuhe anhatte. Sofort zog sich Dick seine eigenen Schuhe aus und schenkte sie dem Mann. Er war immer diskret und unaufdringlich; seine Menschenliebe machte er nie zu einem großen Thema.

Dicks – mittlerweile erwachsenen – vier Kinder erhielten eine erstklassige Ausbildung, sowohl in den USA als auch in Europa. Er glaubte, das Beste, was man dem Nachwuchs schenken könne, sei eine gute Ausbildung. Den Gewinn aus dem Verkauf seiner exzellenten Sammlung Russland (verkauft in Triton X, Januar 2007) erhielten seine elf Enkel zur Förderung ihrer Ausbildung.

Als Linguist und Geschichtswissenschaftler fühlte er sich auch in der numismatischen Welt wohl. Seine numismatischen Bemühungen sind legendär. In seine stetig wachsende Sammlung wollte er nur die feinsten Stücke aufnehmen. Seine unglaublichen Typensammlungen decken Frankreich, Skandinavien, die Benelux-Länder, Italien und den Balkan ab. Auch Kronen aus aller Welt wurden von ihm gesammelt. Spanien und die Neue Welt hatten es ihm besonders angetan, doch auch seine Sammlung von südamerikanischen Münzen ist bei Händlern wie Sammlern auf der ganzen Welt bekannt.

Seine Sammlung wird am 1. und 2. August in Chicago veräußert, im Vorfeld der jährlichen ANA Summer Convention. Dieser Verkauf ist der beste seiner Art in 50 Jahren.

Wir werden “Dickie Boy” vermissen, doch sein Erbe wird weiterleben in seiner Familie und seinen Freunden. Seine Münzen werden ein neues Zuhause finden. Wie Richard Lissner immer sagte: „Wir sind nur numismatische Hüter.“ Er hatte Recht, und diese Münzen werden fortbestehen als sein numismatisches Vermächtnis.

Danke, Dick, wir vermissen Dich.

Sie finden einen Auktionsvorbericht der Sammlung Lissner hier.

Den Katalog finden Sie online auf der Seite von CNG.

Außerdem gibt es einen Vorschaukatalog der Weltmünzen

… und einen Vorschaukatalog der Münzen aus der Neuen Welt.

Sie können auch die Münzen der Sammlung Lissner im Onlineshop von CNG betrachten.