Die Motive der Euro-Umlaufmünzen: Österreich – 2 Euro – Bertha von Suttner

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Die Euro-Münzen sind für alle Teilnehmerstaaten ein wunderbares Mittel, das eigene Selbstverständnis nach außen zu tragen. Bertha von Suttner stand an der Spitze einer Friedensbewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts glaubte, sie könne alle Kriege der Zukunft verhindern. Eine würdige Protagonistin für die österreichischen Euro-Münzen.

Österreich hat seine Motive gleichmäßig aus drei Bereichen gewählt: Kunst, Natur und die Menschen, die Österreich geprägt haben. Bertha von Suttner vertritt dabei die Frauen Österreichs. Sie ist die einzige reale Angehörige des weiblichen Geschlechts, die es als nationales Motiv auf eine der Euro-Münzen geschafft hat. Wer war diese Frau, die im Jahr 1905 erste weibliche Trägerin eines Nobelpreises wurde?

Bertha von Suttner, 1906. Fotografie von Carl Pietzner. Quelle: Wikicommons.

Am 9. Juni 1843 wurde Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Chinic und Tettnau, die man später als Bertha von Suttner kennen sollte, im Palais Kinsky in Prag geboren. Damit gehörte sie väterlicherseits einer der berühmtesten Familien Böhmens an. Doch ihre Mutter galt nicht als gleichrangig; und als der Vater noch vor der Geburt verstarb, hatten Witwe und Halbwaise von dessen Familie höchstens ein gnädiges Almosen zu erwarten.
Ein Freund half aus. Landgraf Friedrich Fürstenberg finanzierte Bertha eine Kindheit in Brünn. Sie wuchs auf – wie für Kinder der Aristokratie damals üblich – unter den wachen Augen von englischen und französischen Gouvernanten. Ihre makellose Erziehung, die sie später befähigen sollte, mit den Großen der Welt von gleich auf gleich zu verkehren, gewann sie in diesen Jahren.

Hätte man die kleine Bertha mit 13 Jahren kennen gelernt, sie hätte sich in nichts unterschieden von den übrigen aristokratischen Fräulein. Ihre einzige Sorge war, was man zum nächsten Dinner, zum nächsten Tanztee, zum Picknick nur anziehen sollte. Doch die Mutter verspielte im Spielkasino von Wiesbaden die kleine Erbschaft ihres Mannes und verlor so das Wohlwollen ihres Gastgebers. Mutter und Tochter mussten nach Wien übersiedeln. Nun war Sparen angesagt.

Um das Schicksal von Mutter und Tochter zu wenden, gab es nach damals üblichen Maßstäben eigentlich nur eine Möglichkeit: Bertha musste eine gute Partie machen. Sie war hübsch, kokett, warum also nicht? Und tatsächlich, die ersten Bewerber stellten sich ein. Doch natürlich waren es keine Märchenprinzen. Es waren arrivierte, wesentlich ältere Männer, die Bertha und ihrer Mutter ein sicheres Zuhause geboten hätten. Von ihnen wollte die junge Frau keinen haben, und mit einer Karriere als Opernsängerin wollte es auch nicht so recht klappen.

Arthur Gundaccar von Suttner. Quelle: Wikicommons.

So stand Bertha vor der Wahl, was sie tun wollte: Weiter in beschränkten Verhältnissen bei ihrer Mutter leben oder sich eine Stellung suchen? Bertha entschied sich für Letzteres. Was für Stellen boten sich damals einer gebildeten jungen Dame, die drei Fremdsprachen perfekt sprach? Nicht viele, man konnte entweder Gouvernante oder Gesellschafterin werden. Bertha wurde Gouvernante im Hause des Barons Carl von Suttner. Die ihr anvertrauten Mädchen liebten sie, sahen ihn ihr eine Freundin und Verbündete. Doch auch Arthur von Suttner, der Bruder ihrer Schützlinge, zeigte sich auffällig oft im Schulzimmer seiner Schwestern. Er hatte sich in die fröhliche Bertha verliebt. Gute zwei Jahre dauerte das Idyll, dann fand die Mutter alles heraus und stellte Bertha vor die Wahl, entweder selber zu kündigen oder hinausgeworfen zu werden. Bertha fügte sich, nahm auf Vermittlung der Baronin eine Stellung als Sekretärin an und reiste zu ihrem neuen Arbeitgeber nach Paris.

Alfred Nobel. Gemälde von Emil Östermann. Quelle: Wikicommons.

Diese Reise sollte für Berthas Leben von großer Bedeutung sein. Niemand anderer als der damals schon unermesslich reiche Alfred Nobel, Erfinder des Dynamit und späterer Stifter des Friedensnobelpreises, hatte sie eingestellt. Nobel war ein Zyniker, ein Misanthrop, der doch stets auf der Suche war nach dem Guten im Menschen. Und Bertha war das Leben selbst, blühend, von einer überschäumenden Lebensfreude, die jeden mitriss, der sie kennen lernte. Nobel verliebte sich sofort in sie. Am liebsten hätte er sie vom Fleck weg geheiratet, aber Bertha war immer noch in Arthur von Suttner verliebt. Und der hatte in der Zeit ihrer Abwesenheit herausgefunden, dass er ohne seine Bertha nicht leben konnte und wollte. Er schrieb ihr das in einem Telegramm, und Bertha verließ die „gute Partie“ Nobel und eilte sofort zu ihm.

Suttners Wohnhaus in der Usnadzis Kutscha in Tiflis (Georgien). Foto: Traubenberger / Wikicommons.

Sie heirateten gegen den Willen von Arthurs Eltern heimlich und bestiegen ein Schiff nach Georgien. Bertha hatte einmal die Fürstin des kleinen Staates kennen gelernt und erhoffte sich ihre Protektion. Doch darin hatte sie sich verschätzt. Die beiden mussten allein zurechtkommen. Hinderlich war dafür, dass weder Bertha noch Arthur je die Landessprache lernten, was die Erwerbsmöglichkeiten drastisch einschränkte. Aus diesem Grund begann Bertha, seichte Fortsetzungsromane für Zeitschriften wie die Gartenlaube zu schreiben. Daneben las sie alles, was sie auftreiben konnte. Dies war ihre Brücke zur Zivilisation, ihre Flucht vor der kaukasischen Armut.

Als Bertha 1885 nach Österreich zurückkehrte, war sie 42 und hatte noch keinerlei Interesse an Politik gezeigt. Doch sie sah sich als bedeutende Schriftstellerin und plante, einen Roman zu schreiben, der die Menschheit aufrütteln sollte. Im Jahre 1888 wurde „Maschinenzeitalter –
eine Zukunftsvorlesung über unsere Zeit“ veröffentlicht. Es war ein Flop. Doch davon ließ sie sich nicht entmutigen. Sie begann die Recherchen zu einem neuen Buch, einem Tendenzroman, in dem das Schicksal eines Einzelnen benutzt wurde, um die Unmenschlichkeit eines Systems anzuprangern. Die Friedensbewegung war damals schon recht aktiv in Europa, und so hielt Bertha das für ein gutes Thema. Unter dem Titel „Die Waffen nieder“ schrieb sie die fiktive Autobiographie einer adeligen Dame, die 1819 bei Solferino ihren ersten Ehemann verliert, in weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen um ihren zweiten Ehemann bangt, der dann 1870 im Deutsch-Französischen Krieg erschossen wird.

Erst dieser Roman machte sie zu einer Vorkämpferin des Friedens. Die Recherchen hatten sie entsetzt: „…Damit aber die eingefügten historischen Ereignisse der Wirklichkeit entsprächen, damit die Schilderungen der Schlachtszenen wahrheitsgetreu ausfielen, musste ich vorher Studien machen, Material und Dokumente sammeln. … Ich las in dickbändigen Geschichtswerken nach, stöberte in alten Zeitungen und Archiven, um Berichte der Kriegskorrespondenten und Militärärzte zu finden; ich ließ mir von solchen meiner Bekannten, welche im Felde gestanden hatten, Schlachtenepisoden erzählen, und während dieser Studienzeit wuchs mein Abscheu vor dem Kriege bis zur schmerzlichen Intensität heran. Ich kann es versichern, dass die Leiden, durch die ich meine Heldin führte, von mir selber während der Arbeit mitgelitten wurden. …“

„Die Waffen nieder“ machte Bertha von Suttner mit einem Schlag in der ganzen zivilisierten Welt bekannt. Sie wurde zu einem Symbol der Friedensbewegung. Und Bertha lebte sich schnell in ihre neue Rolle ein. Die Schriftstellerei wurde zur Nebensache, wichtig war es, die Friedensbewegung zu organisieren, ihrem Anliegen die Öffentlichkeit zu verschaffen, die es verdiente. Schwierig in einer Zeit, in der Nationalismus und Militarismus von staatlicher Seite die einzig akzeptablen Strömungen waren!

Berthas größtes Problem war es, dass das einzige Einkommen der Familie aus ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin kam. Und die Schriftstellerei musste sie nun vernachlässigen, um ihren Verpflichtungen als Vorkämpferin für den Frieden nachzukommen. Friedenskongresse mussten besucht, in adligen Häusern verkehrt werden, um die Mächtigen der Welt für die Ideen des Friedens zu begeistern. Ja, und all das konnte man natürlich nicht in altmodischen Kleidern machen. Damit hätte man ja dem Prestige der Friedensbewegung geschadet, so dachte zumindest Bertha. Die Konsequenz: Die Familie schwebte ständig in Angst vor den Pfändungsbeamten. Ermöglicht wurden die teuren Aktivitäten der „Friedensbertha“ eigentlich nur von ihrem alten Freund, den sie vor fast 20 Jahren so schmählich in Paris sitzengelassen hatte.

Gedenktafel für Bertha von Sutter im Palais Kinsky in Prag. Foto: R. Kukacka/L. Jerábek / Wikicommons.

Alfred Nobel hatte interessiert das Leben seiner einstigen Liebe beobachtet. Er hatte den Roman „Die Waffen nieder“ gelesen und sich sehr positiv darüber geäußert. Schließlich betrachtete er sich selbst als Vorkämpfer für den Frieden. Dies mag etwas merkwürdig erscheinen bei einem Mann, der sein Haupteinkommen aus der Produktion von Sprengstoff bezog. Aber Nobel dachte damals – wie übrigens viele seiner Zeitgenossen –, dass die modernen Waffen den Krieg an sich unmöglich machen würden. Denn was für einen Sinn könne es haben, zu siegen, um lediglich ein völlig zerstörtes Land zu gewinnen. Er betrachtete sein Dynamit als einen anderen Weg zum Frieden, da ein vernünftiger Mensch sicher nicht bereit sein konnte, solch schreckliche Waffen einzusetzen.

Seine unermesslichen Mittel gaben ihm die Möglichkeit, Bertha immer wieder eine Summe Geldes zu schicken, die sie für ihre Reisen und die Projekte der Friedensbewegung ausgeben konnte. Doch das blieb immer ein Tropfen auf den heißen Stein. Bertha brauchte mehr Geld, und so versuchte sie, Nobel dazu zu bewegen, einen Teil seines Vermögens der Friedensbewegung zu vererben – und sie sah dabei keinen großen Unterschied zwischen dieser Organisation und ihrer eigenen Person. Das Resultat war ein Testament, in dem Alfred Nobel 35 Millionen Kronen aussetzte, aus deren Zinsen diejenigen ausgezeichnet werden sollten, die für das Wohl der Menschheit Nützliches geleistet hatten, und zwar auf dem Gebiet der Physik, der Chemie, der Medizin, der Literatur und „für Denjenigen oder Diejenige (à celui ou celle), welcher oder welche am besten für die Verbrüderung der Menschheit, die Herabminderung der Heere und die Förderung von Friedenskongressen gewirkt hat“. Interessant ist hier die Formulierung „à celui ou celle“; es war Ende des 19. Jahrhunderts nicht normal, Frauen gedanklich in den Kreis von potentiellen Preisträgern einzubeziehen. Bertha von Suttner bezog diese Formulierung auf sich. Sie schrieb nach dem Bekanntwerden des Testamentes an einen Freund: „Die Nobel-Stiftung? Ja, ich finde sie groß, großartig und freue mich umso stolzer daran, als ich ja diejenige war, die Nobel in die Bewegung eingeführt und ihm suggeriert habe, etwas Bedeutendes dafür zu tun. Ich bin auch von dem Bewusstsein durchdrungen, dass ich als die moralische Urheberin dieser 7 Millionen-Zuwendung und dieser so eklatanten Förderung des Friedensgedankens berechtigten Anspruch auf die erste Auszahlung erheben kann – ganz abgesehen davon, dass mein Schlagwort fortdauernd wirkt und dass ich weiß, dass in meinen Händen solches Geld wieder Friedensfrüchte trägt.“

Bertha war wütend und empört, als sie vier Jahre warten musste, ehe ihr das Norwegische Parlament im Jahre 1905 den Nobelpreis verlieh. Und dabei hätte sie das Geld doch so nötig gebraucht! Die finanziellen Sorgen waren immer drückender geworden, Arthur war 1902 gestorben und das Schloss der Suttners hatte verkauft werden müssen. Auf ihr lastete die gesamte finanzielle Last. So wurde mit dem Geld, das mit dem Friedensnobelpreis verbunden war, weniger die Friedensarbeit als das Leben von Berthas Verwandten finanziert.

Insgesamt wirkte Bertha von Suttner ein Vierteljahrhundert lang für den Frieden. Sie hielt Reden, schrieb Zeitungsartikel und versuchte im persönlichen Kontakt, die Mächtigen der Welt zu überzeugen. Sie war eine große Vorkämpferin gegen den in Wien grassierenden Antisemitismus, unterstützte die Bewegung zur Bildung eines europäischen Parlaments. Sie betrachtete sich als Weltbürgerin und lebte im Glauben – auch wenn sie Gott und Kirche ablehnte –, dass sich die Menschheit zum Besseren entwickeln würde. Sie war sich sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis alle nationalen Empfindlichkeiten abgeschafft und die Kriege von der Welt vertrieben seien.

Die Urne Bertha von Suttners im Columbarium des Gothaer Hauptfriedhofs. Foto: Jürgen Ludwig / Bundesarchiv, Bild 183-1984-0809-301 / CC-BY-SA / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Bertha von Suttner starb erschöpft, aber zufrieden am 21. Juni 1914. Wenige Tage vorher schrieb sie einem Freund, der sie wegen ihres Magenleidens drängte, andere Ärzte zu konsultieren: „Warum auch? Ich habe lange genug gelebt, ich habe in meinem Leben etwas geleistet, wenn meine Zeit abgelaufen ist, so soll es sein. Ich hänge nicht am Leben.“
Vielleicht wusste Bertha von Suttner genau, warum sie nicht mehr leben wollte. Sie ersparte sich damit, eingestehen zu müssen, dass die Friedensbewegung nicht in der Lage gewesen war, die breite Masse für ihre Ziele zu gewinnen. Nur ganz wenige wollten wirklich den großen Weltkrieg verhindern, der 7 Tage nach ihrem Tode mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo begann.

Auf dem höchsten Nominal der 2 Euro-Münze erinnern uns aber die vergeblichen Bemühungen dieser schillernden Persönlichkeit daran, dass gemeinsames Interesse und wirtschaftliche Vereinigung Europa besser zusammenzuführen scheint, als es allen Idealisten der Welt gemeinsam gelungen ist.

Das Buch „Die Waffen nieder!“ können Sie auf der Seite des Projekts Gutenberg online lesen.

Auf dieser Seite finden Sie Zitate von Bertha von Suttner.

Hier finden Sie frei zugänglich die Publikation „Bertha von Suttner: Ein Leben für den Frieden“, gesammelte Vorträge vom „Internationalen Festsymposium aus Anlass 100 Jahre Friedensnobelpreis an Bertha von Suttner“.

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